Von rund 8000 Generationen Homo sapiens machten die vergangenen vier den größten Fortschritt

Rostock. Die Sterberate des Menschen ist in den vergangenen 100 Jahren so rapide gesunken wie bei keinem anderen Lebewesen auf unserem Planeten. Seit 1900 - und damit innerhalb von nur vier Generationen - fiel sie um fast das 200-Fache, wie ein internationales Forscherteam unter Leitung von James Vaupel vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock festgestellt hat.

Das Sterberisiko der Menschen in den Industrieländern unterscheide sich heute stärker von ursprünglichen Jäger-und-Sammler-Völkern als deren Mortalität von jener der Schimpansen. "Das ist deshalb erstaunlich, weil die Jäger und Sammler ohnehin schon eine für Säugetiere ungewöhnlich niedrige Sterberate besitzen", schreiben die Forscher im Fachmagazin "PNAS".

Erklärbar sei diese rapide Verbesserung durch die enormen kulturellen Fortschritte des Menschen: "Wir haben einen Großteil der umweltbedingten Gefahren aus dem Weg geräumt, indem wir Verletzungen und Krankheiten mithilfe der Medizin heilen und ältere Menschen gesünder ernähren und besser versorgen können", so die Forscher.

Für ihre Studie hatten die Forscher die Sterberaten von Menschen in den Industrieländern Frankreich, Schweden und Japan mit denen von noch heute lebenden Jäger-und-Sammler-Völkern verglichen. Zusätzlich nahmen sie auch die Mortalität von in Gefangenschaft gehaltenen Schimpansen mit auf. Die Ergebnisse zeigen, dass die Sterberaten von Jägern und Sammlern und den Bewohnern der Industrieländer noch vor 100 Jahren nahezu gleich waren. Dann allerdings habe es einen rapiden evolutionären Sprung gegeben: Heute müsse beispielsweise ein Japaner 72 Jahre alt werden, um das gleiche Sterberisiko zu haben wie ein 30-jähriger Jäger und Sammler. Das Tempo dieser Veränderung sei enorm: Von den rund 8000 Generationen, die der Homo sapiens erlebt habe, hätten daran nur die letzten vier Anteil gehabt.

"Das erstaunlichste Ergebnis ist aber, dass die Mortalität der Jäger und Sammler näher an der der Schimpansen liegt als an der von Menschen in den Industrieländern", schreiben Vaupel und seine Kollegen. Auf dem rund 6,6 Millionen Jahre langen Weg zum Menschen sei die Sterberate nur um das Zehnfache gesunken, in den gut 100 Jahren seit der Industrialisierung habe sich das Tempo dieser Entwicklung vervielfacht.

Nach Ansicht der Forscher zeigt dies, dass der Einfluss von Lebensweise und modernen Errungenschaften weit über die Wirkungen von biologischen Mechanismen wie der Änderung von Genen hinausgeht.