Ob Sumatra-Nashorn, Tarzan-Chamäleon oder ein unscheinbarer Pilz: Wissenschaftler warnen vor dem weltweiten Verschwinden von Spezies

Cheju/Berlin. Das Tarzan-Chamäleon, der Kalifornische Schweinswal oder das Zwergfaultier könnten nach Ansicht von Experten schon bald aussterben. Eine Liste mit den 100 am stärksten bedrohten Arten hat die Weltnaturschutzunion (IUCN) gestern bei ihrem Kongress auf der südkoreanischen Insel Cheju veröffentlicht.

"Alle aufgelisteten Spezies sind einzigartig und nicht zu ersetzen. Wenn sie verschwinden, kann sie kein Geld mehr wiederbringen", betonte die Mitverfasserin der Liste, Ellen Butcher von der Zoologischen Gesellschaft von London (ZSL). Erstmals in der Geschichte der Organisation sind 8000 IUCN-Wissenschaftler der Species Survival Commission (SSC) zusammengekommen, um die Liste zu erstellen. Die Artenschützer befürchten, dass das Aussterben der genannten Arten billigend in Kauf genommen wird, da keine von ihnen einen offensichtlichen Nutzen für die Menschen darstellt.

Zwergfaultiere sind ausschließlich auf einer kleinen Insel vor der Küste Panamas beheimatet. Vor zwei Jahren hatten Forscher von der Entdeckung einer neuen Chamäleonart berichtet, die sie nach dem Fantasie-Dschungelhelden Tarzan benannten. Das Tier lebt in den Regenwäldern Madagaskars. Auf der Liste der am stärksten vom Aussterben bedrohten Arten stehen auch das Saola-Wildrind, der Zagros-Molch, das Java-Nashorn, der in Südafrika vorkommende Kap-Gespenstfrosch und Meerengel, die zu den Haien zählen.

Doch in dem IUCN-Bericht mit dem Titel "The 100 most threatened species. Are they priceless or worthless?" (Die 100 bedrohtesten Arten. Unbezahlbar oder wertlos?) sind nicht nur Tierarten aufgelistet - auch Pflanzen und Pilze könnten bald für immer verschwinden. So wächst der Pilz Cryptomyces maximus nur in einem kleinen Gebiet im britischen Wales. Insgesamt stammen die Arten der Liste aus 48 Ländern.

Die Umweltstiftung WWF (World Wide Fund for Nature) bezeichnete die Ergebnisse in einer Mitteilung als "äußerst alarmierend" und forderte Sofortprogramme zur Rettung der bedrohten Spezies. Ursachen für das Artensterben seien unter anderem die ungebremste Lebensraumzerstörung, der Klimawandel und die Wilderei. "Die 100 Arten auf dieser Liste sind nur die Spitze des Eisbergs", betonte Volker Homes, Leiter Artenschutz beim WWF Deutschland. "Nur der Mensch als Verursacher des Artensterbens kann es auch beenden." Die aufgelisteten Arten spiegelten auch die Verschiedenheit der bedrohten Spezies wider, sagte Homes der Nachrichtenagentur dpa. "Neueste Erhebungen gehen davon aus, dass die derzeitige Aussterberate durch den Menschen um den Faktor 100 bis 1000 über dem natürlichen Wert liegt", heißt es in der WWF-Mitteilung.

Doch in der Vergangenheit gab es auch einige positive Beispiele für den Erhalt einer bedrohten Art. So seien beispielsweise das Przewalski-Pferd und der Buckelwal durch gezielte Aktionen gerettet worden, so der IUCN-Bericht. Die Organisation mit Sitz in Genf ist das weltweit größte Netzwerk staatlicher und nicht staatlicher Umweltorganisationen. Sie erstellt auch die Rote Liste gefährdeter Arten.

Den gesamten Bericht zum Durchblättern mit Beschreibungen und Fotos zu allen 100 Arten: www.abendblatt.de/100arten