“Das ist unfair!“ - das menschliche Gefühl für diesen Ausruf können Menschenaffen nicht nachvollziehen. Sie haben keinen Sinn für Fairness.

London. Menschen werden schnell wütend, wenn sie sich benachteiligt fühlen. Anders Schimpansen und Bonobos: Bekommt ein Artgenosse mehr Belohnung als sie oder stiehlt er ihnen sogar einen Teil ihrer Ration, strafen sie ihn nicht. Das zeigt ein Experiment deutscher Forscher. Beide Menschenaffen-Arten seien in diesem Test nur darauf bedacht gewesen, für sich den maximalen Gewinn zu erzielen – ohne Rücksicht auf eine gerechte Verteilung des Futters.

Solange sie selbst noch etwas abbekamen, lehnten sie auch unfaire Angebote nicht ab. Darin unterschieden sie sich deutlich vom Menschen, der einen ausgeprägten Sinn für Fairness besitze, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Biology Letters“ (doi:10.1098/rsbl.2012.0519). Das bestätige die Annahme, dass diese soziale Verhaltensweise für den Menschen einzigartig sei. Sie müsse sich entwickelt haben, nachdem sich die Stammeslinien des Menschen von der seiner nächsten Verwandten, der Bonobos und Schimpansen, getrennt hatte.

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„Der Mensch handelt meist nicht auf eine rein egoistische Weise, sondern bewertet seine Gewinne und Verluste immer auch in Relation mit denen der Anderen“, schreiben Ingrid Kaiser von der Universität Heidelberg und ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Das zeige unter anderem das sogenannte Ultimatum-Spiel. Dabei teilt einer der beiden Mitspieler eine Gewinnsumme zwischen sich und seinem Partner auf – entweder Hälfte-Hälfte und damit gerecht oder aber ungerecht, indem er 80 Prozent für sich behalten möchte. Der zweite Spieler hat nun die Wahl, ob er das Angebot annimmt oder nicht. Lehnt er ab, bekommt der unfaire Mitspieler zwar nichts, aber auch er selbst geht leer aus. Menschliche Versuchspersonen lehnen bei diesem Spiel die unfairen Angebote in der Regel ab, wie die Forscher berichten. Sie haben nun getestet, ob Schimpansen und die eng mit ihnen verwandten Bonobos ebenso fairnessbewusst handeln.

Um dem natürlichen Verhalten der Bonobos und Schimpansen so nahe wie möglich zu kommen, wandelten die Forscher das Ultimatum-Spiel für ihr Experiment etwas ab. Als Gewinn dienten Weintrauben, eine wegen ihres süßen Geschmacks bei den Affen beliebte Leckerei. Zu Spielbeginn war jedem der beiden mitspielenden Affen eine feste Ration dieser Trauben zugeteilt, die verteilt auf einem flachen Tablett zwischen den zwei Käfigen lagen.

Der erste Affe konnte nun das Tablett ein Stück zu sich ziehen und so seinem Partner einen Teil der Traubenration stehlen. Mit der Hand greifen konnte er die Trauben aber erst dann, wenn der bestohlene Partner trotz unfairer Zuteilung mitspielte: Denn dieser musste erst seinerseits das Tablett verschieben, damit beide an die Trauben herankamen. Weigerte er sich, erhielt keiner von beiden die süße Belohnung.

„Schimpansen und Bonobos nahmen in diesem Test keinerlei Rücksicht auf Fairness“, berichten die Forscher. Der erste Affe habe immer die Chance genutzt, seinem Partner Trauben zu stehlen. Der zweite habe ungeachtet des Diebstahls beiden ihre Trauben verschafft, selbst wenn er dabei benachteiligt wurde. Weder die Schimpansen noch die Bonobos seien bereit gewesen, selbst auf Futter zu verzichten, um unfaires Verhalten ihres Partners zu bestrafen. „Dieses Verhalten unterscheidet sich sehr von dem des Menschen“, schreiben Kaiser und ihre Kollegen. Selbst Kinder würden schon unfaires Verhalten ahnden. (dapd)