Jeder Dritte der chronisch Erkrankten ist jünger als 18. Das Leiden bleibt oft lange unerkannt.

Bauchschmerzen, Durchfall, Müdigkeit - Kinder mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen haben es schwer. Die Krankheit kann jederzeit wieder auftreten, hängt über ihnen wie ein Damoklesschwert. Viele mögen nicht darüber reden, ziehen sich zurück und leiden dann nicht nur körperlich, sondern auch noch unter Einsamkeit.

Als chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) bezeichnet man Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa. "Das sind zwei Autoimmunerkrankungen des Magen-Darm-Trakts, bei denen sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper wendet und so Entzündungen auslöst", erklärt Dr. Daniela Nolkemper, Leiterin der kindergastroenterologischen Ambulanz an der Universitätskinderklinik Eppendorf (UKE). Der Crohn kann überall im Magen-Darm-Trakt auftreten, Colitis Ulcerosa ist auf den Dickdarm begrenzt.

Die Ursachen sind noch unbekannt, auch wenn Studien schon Zusammenhänge aufgedeckt haben. So vermutet man, dass Umwelt und Lebensstil das Erkrankungsrisiko beeinflussen, ebenso bestimmte Genveränderungen. Jedes Jahr erkranken in Deutschland fünf von 100 000 Menschen neu an CED. Ein Drittel davon ist jünger als 18 Jahre. "In Hamburg haben wir bei Kindern und Jugendlichen 30 bis 40 Neuerkrankungen pro Jahr", sagt Dr. Henning Lenhartz, Oberarzt in der allgemeinen Pädiatrie am Kinderkrankenhaus Wilhelmstift.

Die Symptome können sehr unterschiedlich sein. Während krampfartige Bauchschmerzen sowie häufige und blutige Durchfälle Patienten mit Colitis relativ schnell zum Arzt führen, bleibt Morbus Crohn oft lange unerkannt. Das liegt auch daran, dass Bauchschmerzen unter Kindern verbreitet sind. "20 bis 30 Prozent der Fünftklässler leiden unter Bauchschmerzen, häufig auch stressbedingt", sagt Lenhartz. Ein wichtiger Hinweis auf Morbus Crohn ist für ihn, wenn ein Kind nachts von Bauchschmerzen aufwacht. Weitere Zeichen sind Gewichtsverlust, Durchfälle, Wachstums- und Pubertätsverzögerungen, Veränderungen an Po und Mund. Später kommen Fieber, Müdigkeit und Blutarmut dazu.

Wenn Patienten mit Verdachtssymptomen in die Klinik kommen, wird die Krankengeschichte erhoben und das Kind körperlich untersucht. Dann folgen Blut- und Stuhltests und eine Ultraschalluntersuchung des Bauches. "Wenn alles zusammen eine große Wahrscheinlichkeit für eine entzündliche Darmerkrankung ergibt, werden Magen und Darm gespiegelt. Der Dünndarm wird mit Kernspin oder Kapselendoskopie untersucht", sagt Nolkemper.

Wenn die Diagnose steht, erklären die Ärzte dem Kind und seinen Eltern, was diese Krankheit bedeutet. Dabei ist in schwierigen Fällen die Unterstützung eines Psychosomatikers nötig. "Es gibt Patienten, bei denen die Reaktion sehr heftig ist. Dann werden wir dazugerufen", sagt Dr. Andreas Richterich, Oberarzt in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik am UKE und beschreibt eine typische Situation: "Der Familie wird erklärt, dass das Kind eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung hat. Aus ärztlicher Sicht ist damit klar, dass wir diese Erkrankung so behandeln können, dass sie nicht wehtut, sie aber nicht heilen können. Aber das Erste, was Kinder und Eltern fragen, ist: Wann ist das wieder weg?" Entscheidend für die Kinder sei, eine Haltung zu entwickeln, die man mit den Worten umschreiben könnte: Mach das Beste draus. Sie sollen sich nicht kleinkriegen lassen, so normal wie möglich leben, das heißt auch, so viel wie möglich zur Schule gehen.

Die Therapie hängt von der Schwere der Erkrankung ab. Manche Patienten kann man gut mit entzündungshemmenden Medikamenten behandeln, andere brauchen zusätzlich Cortison. Eine Alternative zum Cortison ist bei Morbus Crohn eine Ernährungstherapie. Dabei erhalten die Kinder sechs bis acht Wochen lang Astronautenkost, oft über eine Magensonde, Kräutertee und ungesüßtes Kaugummi. "Bei dieser Behandlung geht die Entzündung deutlich zurück, auch wenn die Lebensqualität dadurch enorm beeinträchtigt wird", sagt Lenhartz. Zusätzlich kann man Medikamente einsetzen, die das Immunsystem unterdrücken. Wenn all das keinen Erfolg bringt, kann man die Kinder - vor allem bei Morbus Crohn - mit den neuen sogenannten Biologicals behandeln.

In schweren Fällen kann eine Operation nötig werden. "Die Colitis kann man heilen, indem man den gesamten Dickdarm entfernt. Dann wird der Dünndarm direkt mit dem After verbunden. Allerdings hat das Kind dann häufig dünnen Stuhlgang", sagt Nolkemper. Beim Morbus Crohn versucht man, Operationen möglichst zu vermeiden. "Bei Abszessen und Fisteln wird der betroffene Teil des Darms entfernt, aber so wenig wie möglich", so die Ärztin.

Grundsätzlich gilt für die Ernährung: Nahrungseinschränkungen nur in Absprache mit dem Arzt, möglichst Vollwertkost und im Schub auf blähende Lebensmittel verzichten und Fett reduzieren.

Die chronische Erkrankung ist für die Kinder eine schwere psychische Belastung. "Viele zeigen psychische Auffälligkeiten, vor allem Angst und Traurigkeit, vor allem bei Jungen gibt es eine Neigung zu Wutausbrüchen", sagt Richterich. Zwar spielen psychische Faktoren bei der Entstehung von CED keine Rolle. "Aber sie haben eine Bedeutung im Verlauf und bei der Behandlung, so können Stresssituationen den Verlauf verschlimmern", betont Richterich. Deswegen lernen die Patienten in der "Psychoedukation", zu starke Belastungen zu vermeiden, den Alltag gut zu planen, sodass sie eine Sicherheitsreserve haben, um Aufgaben gut bewältigen zu können, ohne zu sehr in Stress zu geraten.

Info:
Am Kinderkrankenhaus Wilhelmstift (Tel. 040/ 673 77-400)und im UKE (Tel. 040/ 74 10-537 08) gibt es zwei Spezialambulanzen für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, die mit niedergelassenen Kindergastroenterologen zusammenarbeiten.