Gestern entdeckten Paläontologen das erste Säugetierfossil seit 2009. Jetzt beginnt die Präparation des “igelartigen Insektenfressers“.

Messel. Früher wurde in der Grube Messel Ölschiefer zur Paraffingewinnung abgebaut. Nun sitzt Josefine Lenk aus Greifswald wie schon viele Paläontologie-Studenten vor ihr auf den schwarzen Tonsteinschichten in der Grube bei Darmstadt und sucht nach Fossilien, indem sie die Schieferplatten mit einem Messer möglichst fein teilt und mit einer Bürste von Steinchen befreit. Gestern Vormittag wird sie für die schweißtreibende Arbeit unter der brennenden Sonne belohnt: Sie entdeckt den Abdruck eines Fisches, der vor mehr als 47 Millionen Jahren lebte und den der geowissenschaftliche Präparator Mario Drobek als Barsch identifiziert. Ist dieses schon kein alltäglicher Fund, stießen die Forscher kurz zuvor auf die Überreste eines Säugetiers - den ersten seit drei Jahren. Weil an der Stelle der Grube vor Jahrmillionen ein See lag, sind Säugetierfunde dort naturgemäß selten.

Das Säugetierfossil ist in der Kürze der Zeit erst gesichert, aber noch nicht näher untersucht worden. Der Leiter des Messel-Projekts beim Hessischen Landesmuseum Darmstadt (HLMD), Norbert Micklich, gab gestern eine erste Einschätzung ab: "Es könnte sein, dass es sich um einen igelartigen Insektenfresser handelt." Wahrscheinlich sei es eine nicht ganz so seltene Art wie der Hessische Schuppenschwanz, von dem 2009 ein Fossil gefunden wurde. Das davor zuletzt entdeckte urzeitliche Säugetier war 2003 ein sogenanntes Scheinraubtier, eine ausgestorbene Fleischfresserart.

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Seit Montag graben Drobek und die Paläontologin Sabine Gwosdek vom HLMD sowie neun Studenten aus ganz Deutschland in einem Planquadrat des sogenannten Leithorizonts Alpha in der Grube Messel. Das bedeutet, sie graben in Schichten, die sich vor mehr als 47,5 Millionen Jahren am Grund eines dort nach einem Vulkanausbruch entstandenen Maarsees ablagerten. Seit 1966 führt das HLMD jedes Jahr planmäßig Grabungen durch. Außerdem untersuchen Forscher des Frankfurter Naturmuseums Senckenberg die Grube Messel, die nach mehreren bedeutenden Funden fossiler Wirbeltiere 1995 auf die Unesco-Liste des Weltnaturerbes gesetzt wurde.

Das neu entdeckte Säugetierrelikt wird in den kommenden Jahren untersucht, ordentlich präpariert und ausgestellt werden, wie schon zuvor die urzeitlichen Säugetiere aus der Grube Messel und natürlich das zwischenzeitlich als Sensationsfund gefeierte Primatenfossil Ida . Das Tagesgeschäft der Paläontologen ist freilich unspektakulärer: Seit die Grube Messel Weltnaturerbe sei, erläutert HLMD-Experte Micklich, müsse jeder noch so kleine Fund erfasst werden, also auch Fossile von Insekten, Pflanzen und sogar Samen. Und das sei das, was die Gräber am häufigsten fänden.