UKE verstärkt mit dem Universitären Adipositaszentrum die Behandlung von stark Übergewichtigen - Sprechstunden verdoppelt.

Hamburg. Die Behandlung von stark übergewichtigen Patienten in Hamburg wird ausgebaut: Das Uniklinikum Eppendorf hat das Universitäre Adipositaszentrum eingerichtet, in dem die Patienten von einem interdisziplinären Team aus Chirurgen, Stoffwechselspezialisten (Endokrinologen), Ernährungsberatern und Fachärzten für Psychosomatik betreut werden. Schwerpunkt dieses Zentrums ist die operative Versorgung von Menschen mit krankhaftem Übergewicht.

2011 wurden dort 250 Eingriffe durchgeführt. "Jetzt haben wir das Personal, die Sprechstunden und die Räumlichkeiten verdoppelt", sagt Privatdozent Dr. Oliver Mann, chirurgischer Leiter des Zentrums. Nach eigenen Angaben ist dieses Adipositaszentrum damit das größte seiner Art in Deutschland. Grund für die Erweiterung ist die steigende Nachfrage nach solchen Eingriffen. "Anfang des Jahres hatten wir noch eine Wartezeit von sechs Monaten auf den ersten Termin. Jetzt müssen die Patienten nur noch zwei bis drei Wochen warten", sagt Privatdozent Dr. Jens Aberle, endokrinologischer Leiter des Zentrums.

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Der steigende Bedarf deckt sich auch mit den Zahlen der Nationalen Verzehrstudie II, die 2008 veröffentlicht wurde. Danach ist jeder zweite erwachsene Deutsche zu dick, jeder fünfte sogar krankhaft fettsüchtig (adipös). Bestimmt wird das Übergewicht durch den Body Mass Index ( Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern). Von Übergewicht spricht man ab einem BMI von 25. Adipös sind Menschen, die einen BMI von 30 oder mehr haben.

Für die Betroffenen sind die vielen Pfunde eine starke Belastung. Sie leiden nicht nur unter sozialer Ausgrenzung und geringem Selbstwertgefühl. Durch das Übergewicht können sich auch schwere Begleiterkrankungen entwickeln, wie Bluthochdruck, ein Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte Krebsarten.

Die Menschen, die in das Adipositaszentrum am UKE kommen, haben oft schon viele erfolglose Versuche hinter sich, ihr Gewicht zu reduzieren. So wie Stefan August. Der 30-Jährige bringt bei einer Körpergröße von 1,73 Metern 192 Kilogramm auf die Waage. Probleme mit seinem Gewicht hat er schon seit seiner Kindheit. Heute wird bei ihm im UKE ein Schlauchmagen angelegt. Das bedeutet, dass der Magen soweit verkleinert wird, dass er mit dem Darm zusammen einen Schlauch bildet. In einem zweiten Schritt soll dann später ein Magenbypass angelegt werden.

"Das ist der häufigste Eingriff, den wir durchführen", sagt Mann. 75 Prozent der Patienten erhalten einen Magenbypass, bei dem der Magen auf ein Fassungsvermögen von 25 Milliliter (von normalerweise etwa 1,5 Liter) verkleinert wird. Außerdem wird er an eine tiefer liegende Dünndarmschlinge angeschlossen, sodass der Zwölffingerdarm aus der Nahrungspassage ausgeschaltet wird. Das wirkt sich günstig auf den Hormonhaushalt der Patienten aus. Günstig ist auch, dass die Verdauungssäfte erst in einem weiter unten gelegenen Darmabschnitt aktiv werden können. "Durch den Magenbypass können Patienten im ersten Jahr 30 bis 40 Prozent ihres Körpergewichts verlieren", sagt Mann. Eine weitere Möglichkeit, die aber nur noch selten angewandt wird, ist das Einsetzen eines Magenbandes, das den Magen verkleinert.

Wer für einen dieser Eingriffe die Genehmigung von der Krankenkasse bekommen will, muss allerdings einen ausführlichen Kriterienkatalog erfüllen. Infrage kommt die OP für Menschen mit einem BMI ab 40 oder ab 35, wenn bereits Begleiterkrankungen vorliegen. Die Patienten müssen ein sechsmonatiges Bewegungs- und Ernährungsprogramm absolviert haben und ein sechswöchiges Ernährungsprotokoll anfertigen. Zudem ist eine Stellungnahme eines Experten für Psychosomatik notwendig, der feststellen muss, ob schwerwiegende psychische Erkrankungen vorliegen, die gegen einen solchen Eingriff sprechen, wie zum Beispiel eine akute Schizophrenie.

Eine Patientin, die diese Prozedur und den Eingriff bereits hinter sich hat, ist Frauke Schinkel. Nach einem Vorlauf von anderthalb Jahren kam Silvester 2011 die Genehmigung von der Krankenkasse. Im März dieses Jahres hat sie einen Magenbypass erhalten. Seitdem hat die 69-Jährige 20 Kilogramm abgenommen und wiegt jetzt noch 118 Kilogramm. Die Umstellung der Ernährung, die bei solchen Eingriffen nötig ist, muss sie erst lernen: "Das wird bestimmt ein halbes Jahr dauern." Aber das Wenige, was sie essen kann, genießt sie: "Ich backe immer noch Kuchen, aber ich esse nur ein halbes Stück."

An die Umstellung der Ernährung nach solchen Operationen müssen sich alle Patienten erst einmal gewöhnen. "Der Kostaufbau dauert 40 Tage", sagt Ernährungsberaterin Bianca Rixrath. In der ersten Woche nach der OP gibt es nur Tee und Wasser, in der zweiten zusätzlich Suppe. Dann folgen zwei Wochen mit ausschließlich pürierter Kost und dann eine Woche weiche Kost. Rixrath nennt dafür Beispiele: "Zum Frühstück eine halbe Scheibe Weißbrot mit Frischkäse, zum Mittag je ein Esslöffel Kartoffelbrei, Gemüse und püriertes Fleisch und abends die zweite halbe Scheibe Weißbrot mit Frischkäse."

Worauf sich die Patienten auch dauerhaft einstellen müssen, ist die Trennung der Aufnahme von Flüssigkeiten und fester Nahrung. "Die Patienten können erst eine Tasse Kaffee trinken, müssen dann eine Viertelstunde warten, bis sie zum Beispiel Weißbrot essen und dann eine weitere halbe Stunde, bevor sie die nächste Tasse Kaffee trinken können." Damit es bei den kleinen Portionen nicht zu Mangelerscheinungen kommt, wird auch die Einnahme von Multivitaminpräparaten empfohlen. Damit die Umstellung erfolgreich ist und die Patienten dauerhaft an Gewicht verlieren, ist eine lebenslange Nachsorge wichtig. "Der Therapieerfolg ist deutlich schlechter, wenn man den Patienten nach der Operation allein lässt", sagt Mann.

Ein Patient, der die Umstellung gut bewältigt hat, ist Frank Mackeroth. Der 49-Jährige, der bis 1993 als Leistungssportler in der Volleyballmannschaft des HSV spielte, erhielt 2009 einen Magenbypass. Damals wog er bei einer Körpergröße von 1, 90 Metern 154 Kilogramm, heute sind es 50 Kilogramm weniger. "Die Operation hat mir ein neues Leben geschenkt. Ich bin so fit wie seit 30 Jahren nicht mehr", betont Mackeroth. Und das sagt er, obwohl er einer der Patienten war, bei denen eine seltene, aber schwere Komplikation auftrat. Die frisch gesetzten Nähte in seinem Magen-Darm-Trakt hielten nicht. Dadurch trat Darminhalt in die Bauchhöhle aus. Und Frank Mackeroth bekam eine Bauchfellentzündung. "Ich wurde künstlich beatmet, lag drei Monate auf der Intensivstation und war ein Jahr im Krankenhaus." Bauchfellentzündungen und Blutungen sind die hauptsächlichen Komplikationen, die bei einem solchen Eingriff auftreten können. Das Risiko für eine Blutung liegt unter einem Prozent. "Und das Risiko für eine Bauchfellentzündung liegt bei unseren Patienten bei weniger als 0,5 Prozent", sagt Aberle.