Der weltweite Kampf gegen die Viruserkrankung zeigt Wirkung. Eine neue Studie warnt jedoch, dass sich die Epidemie unter Schwulen verschlimmert

Washington/Hamburg. 2,5 Millionen Menschen weltweit haben sich im vergangenen Jahr mit HIV infiziert - rund ein Fünftel weniger als noch 2001. Die Zahl neu infizierter Kinder sei binnen zwei Jahren um fast ein Viertel auf geschätzte 330 000 gesunken, berichtete das HIV-/Aids-Programm der Vereinten Nationen (UNAIDS) im Vorwege der Welt-Aids-Konferenz vom 22. bis 27. Juli in Washington. "Wir sehen einen schnellen Fortschritt", sagt UNAIDS-Direktor Michel Sidibé. Bedenklich sei allerdings, dass mehr als ein Drittel der Neuinfizierten junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren seien. Jeden Tag hätten sich im vergangenen Jahr 2400 Menschen dieses Alters mit dem Aids-Erreger angesteckt.

Enorme Erfolge gab es nach Uno-Angaben bei der Behandlung: Mehr als acht Millionen Menschen hatten 2011 Zugang zu Therapien - ein Fünftel mehr als im Jahr zuvor, rund 1,6 Millionen Menschen also. 2003 waren nur 400 000 Menschen behandelt worden. Die Erfolge gingen vor allem auf die positive Entwicklung in der Region südlich der Sahara zurück, heißt es in dem Bericht "Together We Will End Aids". Das von den Vereinten Nationen angestrebte Ziel, 2015 mehr als 15 Millionen Infizierte behandeln zu können, könne erreicht werden, so Sidibé.

"Ein Jahrzehnt antivirale Behandlung hat HIV vom Todesurteil zu einer handhabbaren chronischen Krankheit werden lassen", schreibt Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon in einem Vorwort des Berichts. "Es gibt eine reale Chance, Neuinfektionen von Kindern in den kommenden drei Jahren auszumerzen." Noch immer aber seien zu viele Menschen nicht in der Situation, von ihren Partnern sicheren Sex einzufordern. Und noch immer würden HIV-Infizierte vielfach stigmatisiert.

Darauf weist auch die Deutsche AIDS-Stiftung im Vorfeld der Konferenz hin. Zum einen widerfahre Betroffenen eine gesellschaftliche Diskriminierung, zum anderen aber auch immer noch eine politische. In Ländern, in denen unzureichend über die Krankheit informiert werde und gesellschaftliche Gruppen und deren Handlungen, wie Drogenabhängige, Homosexuelle und Prostituierte, diskriminiert und illegalisiert würden, seien die Ansteckungsraten wesentlich höher als in Ländern mit liberaler HIV-/AIDS-Politik, wie etwa Deutschland. Ein Beispiel für die politische Diskriminierung HIV-Infizierter und AIDS-Kranker seien Einreisebestimmungen bzw. -beschränkungen. Erst eine Gesetzesänderung vor zwei Jahren habe es ermöglicht, dass nach mehr als 20 Jahren wieder eine Internationale AIDS-Konferenz in den USA stattfinden könne, so die Stiftung.

In Deutschland liegt Hamburg laut Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) mit insgesamt bisher 2635 gemeldeten AIDS-Fällen auf Platz drei hinter Berlin (6129 Fälle) und Nordrhein-Westfalen (4620). Allerdings sind die gemeldeten Fälle in der Hansestadt seit drei Jahren rückläufig: Waren es 2009 noch 69, kamen 2010 59 und 2011 30 Patienten mit einer AIDS-Diagnose hinzu.

Die geschätzte Zahl der Menschen, die Ende 2011 mit HIV/AIDS in Hamburg lebten, wird vom RKI jedoch deutlich höher angegeben: Sie liegt bei etwa 5600 Personen, wovon 4700 Männer und 900 Frauen seien. Die geschätzte Zahl der HIV-Neuinfektionen in Hamburg im Jahr 2011 schätzt das Institut auf rund 200 (170 Männer, 30 Frauen). Die geschätzte Zahl der Todesfälle bei Hamburger HIV-Infizierten im Jahr 2011 wird mit etwa 40 angegeben.

Weltweit starben 2011 rund 1,7 Millionen Menschen an den Folgen von Aids; 2005 waren es noch 2,3 Millionen. Mehr Menschen als je zuvor - gut 34 Millionen - leben mit dem Virus im Körper, weil die Therapien das Leben Betroffener deutlich verlängern. In West- und Zentraleuropa sind es 1,5 Millionen Menschen, etwa 17 000 davon sind Kinder unter 15 Jahren. Weltweit gibt es UNAIDS zufolge 3,4 Millionen infizierte Kinder - neun von zehn leben in Afrika südlich der Sahara. 230 000 Kinder starben 2011 infolge der Infektion.

Die Kosten für eine Therapie sanken in den vergangenen zehn Jahren von rund 10 000 Dollar (rund 8000 Euro) jährlich auf weniger als 100 Dollar (rund 80 Euro) - unter anderem dank günstiger Generika, wirkstoffgleicher Kopien von Markenmedikamenten. Noch aber bekämen rund die Hälfte aller geeigneten Betroffenen keine Medikamente gegen den Erreger, betont UNAIDS. Ein drohendes Problem sei zudem, dass das Virus resistent gegen die derzeit verwendeten Wirkstoffe werde. "Es ist egal, für wie viele Menschen wir Medikamente beschaffen können, wenn wir sie damit nicht auch am Leben halten und sie immer weiter behandeln können."

Das HIV-Risiko unter homosexuellen Männern bleibt nach einer neuen Studie in vielen Regionen unkontrollierbar. Unter Männern, die Sex mit Männern haben, breite sich die Epidemie in den meisten Ländern weiter aus - unabhängig vom Wohlstand, schreiben US-Forscher im Fachjournal "Lancet". Hauptgrund sei die sexuelle Praktik des Analverkehrs. Ohne Kondom sei das Risiko einer HIV-Übertragung dabei rund 18-mal größer als bei ungeschützten Kontakten zwischen Penis und Vagina, berichten die Forscher um Chris Beyrer von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore (US-Staat Maryland). Weitere Gründe für das hohe HIV-Risiko bei Schwulen seien häufige Partnerwechsel und die wechselnden Rollen beim Geschlechtsakt.

In einigen Ländern liege die HIV-Häufigkeit (Prävalenz) bei homosexuellen Männern bereits über 15 Prozent, schreiben die Forscher. Die höchste Prävalenz gebe es in karibischen Staaten (25 Prozent), Afrika (18 Prozent) und Nordamerika (15 Prozent). Allein in den USA seien die Infektionszahlen bei homosexuellen Männern seit 2001 jährlich um geschätzte acht Prozent gestiegen. In vielen westeuropäischen Staaten liegt die Prävalenz der Studie nach niedriger - bei rund sechs Prozent.

Auch in Deutschland ist die HIV-Epidemie nach dem jüngsten Bericht des RKI nach wie vor am stärksten durch die Gruppe homosexueller Männer geprägt. Von 2889 Erstdiagnosen im Jahr 2011 entfielen 1574 auf bekennende Schwule.