Craig Venter, umstrittener Genforscher, kündigt eine von seinem Institut entwickelte neue Lebensform an

Dublin. "What's next, Mr. Venter?" Was kommt als Nächstes? "Ich mag diese Frage immer gern. Manche haben wahrscheinlich gehofft, dass ich in den Ruhestand gehe", antwortet der umstrittene Genpionier Craig Venter auf die Frage von Journalisten. Dass er davon weit entfernt ist, macht der 65-Jährige schnell klar: Die Teams an seinem Institut in den USA entwickeln momentan drei verschiedene synthetische Lebensformen am Computer. Das heißt, sie setzen verschiedene lebenswichtige Gene zusammen zu einem neuen Erbgut. "Wir hoffen, dass bis zum Ende des Sommers eine Form davon lebt", sagte Venterauf der Europäischen Wissenschaftskonferenz in Dublin.

Nachdem er die Entzifferung des menschlichen Erbguts vor mehr als zehn Jahren mit vorangetrieben hatte, präsentierte Venter 2010 ein Bakterium mit künstlicher DNA. Aus einzelnen Stückchen hatte das Team das Erbgut eines Bakteriums am Computer nachgebaut und in eine andere Bakterienart eingesetzt. Die Wissenschaftler hatten also eine Zelle geschaffen, die von einem fremden Genom kontrolliert wurde. Er wolle die Biologie dazu zu bringen, "das zu tun, was wir wollen", so Venter damals. Nun soll also ein gänzlich neues lebendes Etwas entstehen. Aber: "Wir kreieren keinen Frankenstein, mit einem Bisschen hier von und einem Bisschen da von." Vielmehr gehe es um die Frage, wie viele Gene ausreichen, um künstliches Leben zu schaffen. Eine Hürde: Von vielen Genen wisse man, dass sie lebensnotwendig sind, aber man kenne ihre Funktion noch nicht. Vielleicht könnten die synthetischen Minilebensformen darauf Antworten geben. Klar ist für Venter, dass er ein Patent darauf anmelden will, wenn es soweit ist. Denn es handelt sich in seinen Augen um eine Erfindung.

Um was für künstliche Zellen es genau geht, darüber will Venter sich noch nicht im Detail äußern. Der geschäftstüchtige Wissenschaftler verfolgt jedoch ein Ziel: der wachsenden Weltbevölkerung zu helfen, so sagt er. "Wir werden mehr Nahrung, mehr sauberes Wasser, mehr Energie und mehr Medizin brauchen." Wäre es nicht gut, Zellen zu haben, die aus Kohlendioxid Treibstoff machen? Könnte durch den Zuckerstoffwechsel von künstlichen Minilebensformen Energie entstehen? All das sollen neuartige Zellgebilde in seiner Vorstellung einmal können. Zudem ist Venter in Sachen Grippeimpfstoff aktiv. Grippeviren verändern sich, daher werden die Impfstoffe nach dem ersten Auftreten neuer Varianten angepasst. Mit seinen Methoden will Venter die Zeit drastisch verkürzen, die bis zur Herstellung der Impfstoffe vergeht.

Einen historischen Handschlag gab es schon jetzt für ihn: Nach seiner Vorlesung im ehrwürdigen Trinity College traf Craig Venter auf Nobelpreisträger James Watson, 84. Dieser hatte 1953 mit Francis Crick das räumliche Modell der DNA entwickelt.