Google präsentiert überraschende Neuerungen, darunter auch einen eigenen Tablet-PC. 6000 Programmierer erlebten die Show

San Francisco. Von den beiden Google-Gründern Larry Page und Sergey Brin hat Letzterer derzeit eindeutig den cooleren Job. Während Page sich mit Patentstreitigkeiten und Regulierungsfragen herumschlagen muss und dabei zeitweise die Stimme verloren hat, kann Brin seine Rolle als Obertüftler bei Google voll ausleben. Der 38-Jährige treibt bei dem Suchmaschinenkonzern Projekte wie die Daten- und Videobrille Google Glass voran, die theoretisch Informationen aller Art vor das Auge projizieren kann, von E-Mails bis zu Videos. Damit nicht genug, filmt eine Kamera die Umgebung und sendet die Bilder - live, wenn es sein muss.

Auf der Entwicklerkonferenz Google I/O in San Francisco zog Sergey Brin nun 6000 Programmierer und Internetexperten in seinen Bann, indem er tief in die Show-Trickkiste griff. Statt trocken über die Fortschritte der Datenbrille zu referieren, inszenierte er das kühne Technologie-Projekt im Stile eines "Mission Impossible"-Kinofilms: Aus einem Luftschiff, das über dem Konferenzzentrum kreiste, stürzten sich Fallschirmspringer mit Datenbrillen auf den Nasen in die Tiefe. Die Bilder aus der Brillenkamera wurden über eine Videoschaltung in die Halle übertragen. So konnten die Besucher der I/O live sehen, wie die Fallschirmspringer auf dem Dach des Konferenzraums landeten und sich dann wie Tom Cruise an der Glasfassade abseilten, um schließlich in dem Saal mit frenetischem Beifall bejubelt zu werden.

Dabei ist Google Glass noch lange kein fertiges Produkt. Erst in einem halben Jahr werden experimentierfreudige Entwickler in den USA für 1500 Dollar ein Explorer-Pack erwerben können, um dann Anwendungen für die Cyber-Brille schreiben zu können. Es gebe leider noch einige Regulierungsfragen, die einen Einsatz außerhalb der USA derzeit nicht möglich machten, räumte Brin ein. Doch bis Ende 2013 oder Anfang 2014 soll aus dem Prototyp ein Produkt für Verbraucher werden, das dann auch deutlich preiswerter sein soll als die Entwickler-Version.

Bereits jetzt zum Verkauf stehen hingegen weitere Produkte, die Google in San Francisco vorstellte, darunter einen eigenen Tablet-Computer zum Kampfpreis, eine verbesserte Version des Smartphone-Betriebssystems Android samt Spracherkennung und ein Medienspieler - allesamt Entwicklungen, die insbesondere Apple und Amazon Konkurrenz machen sollen. Außerdem präsentierte Google Erweiterungen bei seinem sozialen Netzwerk Google+, das bisher nicht annähernd so viele Nutzer hat wie Facebook. Die Neuerungen im Überblick:

Tablet-Computer Nexus 7

200 Dollar (etwa 160 Euro) beträgt der Einstiegspreis für Googles ersten eigenen Tablet-Computer. Damit zielt das Unternehmen auf den Massenmarkt und konkurriert dort insbesondere mit dem Kindle Fire von Amazon, der etwa genauso viel kostet. Apples iPad ist ab 400 Euro erhältlich (iPad 2). Googles Nexus 7 soll in den USA, Kanada, Australien und Großbritannien Mitte Juli in den Handel kommen; in Deutschland werden Kunden einige Monate länger auf den vom taiwanischen Hersteller Asus produzierten Rechner warten müssen. Er verfügt wie das Kindle Fire über einen 7-Zoll-Bildschirm (iPad: 9,7 Zoll) bindet die Shop-Plattform Google Play eng ein. Diese wird zu einer Medienzentrale und bietet künftig neben Apps auch Filme, TV-Sendungen und Magazine an - noch sind viele dieser Angebote aber nicht in Deutschland verfügbar.

Smartphone-Betriebssystem Jelly Bean

Die neue Version 4.1 von Googles Smartphone-Betriebssystem (Codename: Jelly Bean) wartet mit einer überarbeiteten Spracherkennung auf, die komplett auf dem Gerät installiert ist und somit ohne Internetverbindung funktioniert. Ähnlich wie das Apple-Pendant Siri soll Google Now eine Art Lebensassistent sein, der den Nutzer unterstützt. Neben einer normalen Websuche, die über die Sprachsteuerung funktioniert, bietet das Programm etwa umgebungsbasierte Resultate. Steht der Nutzer an einem Bahnhof, zeigt ihm das Programm die Züge an, fährt er mit dem Auto, zeigt es Angaben zu Verkehrsaufkommen und alternative Routen. Seine Entscheidungen trifft das Programm aufgrund all der Nutzerdaten, die Google sammelt. Noch ist Google Now nur in Englisch verfügbar, weitere Sprachversionen sollen bald folgen. Die Auslieferung von Android 4.1 soll Mitte Juli beginnen. Bis Nutzer die Software auf ihrem Gerät haben, vergeht erfahrungsgemäß aber einige Zeit. Zudem bieten die meisten Smartphone-Hersteller nur für ihre Top-Modelle die neuesten Android-Versionen an; Nutzer älterer Geräte profitieren von den Neuerungen womöglich nicht.

Medienspieler Nexus Q

Neben einem eigenen Tablet hat Google auch einen Medienplayer mit dem Namen Nexus Q vorgestellt. Die schwarze Kugel macht es beispielsweise möglich, Musik und Videos von Smartphones oder Tablets auf einen Fernseher zu übertragen. Google spricht von einem Social-Streaming-Gerät, weil es von verschiedenen Menschen gleichzeitig benutzt werden kann. Es kostet 300 Dollar (etwa 240 Euro). Zum Vergleich: Das ähnliche Produkt Apple TV kostet etwa 100 Euro.

Soziales Netzwerk Google +

Das soziale Netzwerk kann nun auch in einer App für Android-Tablets und bald in einer App für iPads genutzt werden. Außerdem hat Google eine Event-Funktion eingebaut, die es möglich machen soll, dass etwa während einer Feier alle Gäste Bilder oder Videos hochladen und so eine Art digitaler Echtzeitdokumentation schaffen. Google + wird nach Angaben des Unternehmens inzwischen von 250 Millionen Menschen genutzt. Konkurrent Facebook hat über 900 Millionen Nutzer.