Anhand der Gewächse untersuchen Biologen und Geografen klimatische Unterschiede im Stadtgebiet. Die Ergebnisse zeigen ein deutliches Verteilungsmuster

Wildtulpen in den Vierlanden, Schachbrettblumen in Wittenberge, Natternkopf im Containerhafen - Hamburg gilt als grünste Metropole Europas, die einen großen Artenreichtum zu bieten hat. Mehr als 1500 Pflanzenarten kommen hier wild wachsend vor. Das belegt der aktuelle Pflanzenatlas des Hamburger Botanischen Vereins. Doch wie beeinflussen Klimaänderungen die Pflanzen? Und was verraten die Pflanzen über das Stadtklima?

Um dies herauszufinden, suche ich als Biologin nach Mustern, wie sich die Arten in Hamburg verteilen. Der Pflanzenatlas ist hierfür ein wahrer Schatz, denn er liefert ausführliche Daten über die Hamburger Pflanzenwelt. Mithilfe der Daten haben mein Kollege Benjamin Bechtel aus der Geografie und ich einen neuen Ansatz entwickelt, um das Stadtklima zu erforschen. Dabei haben wir Methoden und Erkenntnisse aus der Biologie mit der Stadtgeografie und der Meteorologie verknüpft.

Unsere Studie basiert auf der Annahme, dass die Zusammensetzung der Arten in einem bestimmten Gebiet Hinweise über das entsprechende lokale Klima bietet. Wir gingen der Frage nach, ob sich Pflanzen als Indikatoren für die sogenannte städtische Wärmeinsel eignen.

Wärmeinseln sind ein Phänomen des Stadtklimas: In der Innenstadt herrschen höhere Temperaturen als im Umland. Der Unterschied liegt in Hamburg im Mittel bei 1,1 Grad Celsius. Dieser Effekt hat verschiedene Ursachen. Die Sonne heizt bebaute Flächen besonders stark auf. Diese speichern mehr Wärme als unbebaute Flächen. Verkehr sowie die Abwärme von Heizungen und Industrieanlagen tragen zusätzlich dazu bei, dass sich einige Bereiche in der Stadt stärker erwärmen als andere.

Bisherige Analysen städtischer Wärmeinseln sind noch lückenhaft, da flächendeckende Messungen über längere Zeiträume fehlen. Mit unserer neuen Methode konnten wir die Intensität der Wärmeinsel anhand der Pflanzen ablesen. Dazu haben wir den einzelnen Arten jeweils einen Indikator-Wert zugeordnet, der ihre bevorzugten Standorte und die geografische Verteilung wiedergibt. Pflanzen mit sehr niedrigen Werten bevorzugen kühle Standorte. Hohe Werte stehen für Wärme liebende Pflanzen, zum Beispiel aus dem Mittelmeerraum. Insgesamt konnten wir 625 Arten eindeutige Indikatoren zuordnen.

Unsere Ergebnisse zeigen ein deutliches Verteilungsmuster. Dabei sind die hohen Werte in der Stadtmitte zu finden. Je weiter man sich vom Stadtzentrum wegbewegt, desto kleiner werden die Werte. Doch es gibt in der Innenstadt nicht nur besonders viele Wärme liebende Pflanzen, auch eingewanderte Arten nehmen Richtung Zentrum zu. Ein Beispiel hierfür ist der Götterbaum, der ursprünglich in China und Vietnam beheimatet ist.

Die mittleren Werte aller Arten und der Anteil Wärme liebender Arten hängen deutlich mit der Intensität der Wärmeinsel zusammen. Dies beweist, dass die Lufttemperatur die Zusammensetzung der Arten beeinflusst und die Pflanzen mit ihren Indikator-Werten Hinweise enthalten, wie sich die Temperaturen in der Stadt verteilen.