Wissenschaftler erklären, warum die Forschung der Raumstation so wichtig ist. Die ISS hilft auch, die Krebstherapie voranzubringen.

Darmstadt. So richtig greifbar ist es für Erdenbewohner nicht immer, was sich auf der Internationale Raumstation ISS abspielt. „Experimente ja, aber welche?“, fragt sich ein älterer Herr, der am Montagabend extra in die Centralstation Darmstadt gekommen ist, um dem Vortrag „Forschen im All – Wissenschaft an Bord der ISS“ zuzuhören. Weil beispielsweise die Frage nach der kosmischen Strahlung ein wichtiges Experimentierfeld der Astronauten auf der Raumstation ist, sitzen Vertreter der Darmstädter Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) auf dem Podium. Etwa 250 Zuhörer sind gekommen.

Radek Pleskac, Biophysikeram GSI berichtet vom Matroshka-Experiment, das für die Forschung im Bereich der Tumortherapie eingesetzt werde. Mit einer menschenähnlichen Spezialpuppe haben nämlich Wissenschaftler an der Beschleunigeranlage der GSI in Darmstadt Experimente veranstaltet, bei dem sie ein Messverfahren zur Qualitätssicherung und Verbesserung der Therapietechnik entwickeln. Das ist deshalb wichtig, weil die GSI eine Tumortherapie mit Kohlenstoff-Ionen entwickelt hat. Dabei muss der Ionenstrahl millimetergenau in einen Tumor hineingebracht werden. „Mit unseren Experimenten versuchen wir ein neues Messverfahren für die Bestimmung der Position unseres Ionenstrahls bei der Tumortherapie zu entwickeln“, sagt Pleskac. Erst durch den Einsatz der mit Messgeräten vollgestopften Puppe sei dies möglich, ohne einen Patienten behandeln zu müssen.

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Das geschieht zwar auf der Erde, doch Matroshka stammt eigentlich von der ISS. So befindet sich ein Zwilling der Puppe auf der internationalen Raumstation. Dort wird unter anderem untersucht, wie hoch die Strahlenbelastung für einen Astronauten im Weltall ist. Denn mit den Messgeräte in der Spezialpuppe – sie wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelt – können die Wissenschaftler die Strahlung im Universum messen.

Das ist für weitere Missionen im All notwendig. Denn neben dem Kampf gegen bereits gebildete Tumoren, spielt die Forschung auf der ISS auch eine wichtige Rolle für eine mögliche Reise zum Mars. Nach Ansicht von Markus Landgraf, Missionsplaner beim Europäischen Satelliten-Kontrollzentrum ESOC in Darmstadt, sind nämlich diese Forschungsergebnisse wichtig, um die Gefahren der kosmischen Strahlung für die Raumfahrer näher zu bestimmen. „Bei einem langen Aufenthalt im Weltraum stellt sich die Frage, wie der menschliche Körper die Strahlendosis unbeschadet überstehen kann und welche Schutzmöglichkeiten es geben könnte“, sagt er. Die Fragen dazu seien vielfältig, schließlich könne man kein Raumschiff für die Reise zum Mars bauen, dass beliebig dick – also auch beliebig schwer – sei. Doch ganz abgesehen davon, sei die ISS eben auch nicht nur Forschungsprojekt, sondern könne ganz konkret als Zwischenstation für Reisen ins All genutzt werden, sagt Landgraf.

Reinhold Ewald, deutscher Esa-Astronaut und lange Zeit verantwortlich für den Betrieb des europäischen ISS-Forschungslabors „Columbus“, gerät ins Schwärmen für die Technik der ISS. Zwar, so sagt er launig, „werde ich mich nicht versteifen und sagen, jeder Euro wird optimal genutzt um noch bessere Teflon-Pfannen zu bekommen“; doch allein die Internationale Zusammenarbeit am Außenposten der Menschheit sei bemerkenswert und biete eine große Chance für die Erforschung des Universums. Auch wenn noch unklar sei, welchen Weg die Chinesen nehmen wollten – den gemeinsamen oder den auf eigene Faust. Beim Bau der Raumstation haben 16 Länder zusammengearbeitet – darunter die USA, Russland, Japan, Kanada und Mitgliedsstaaten der Europäischen Weltraumorganisation (Esa). Die Chinesen waren nicht beteiligt.

Das Interesse von Wirtschaftsunternehmen an Experimenten auf der Internationalen Raumstation ISS indes halte sich seinen Angaben zufolge ebenfalls in engen Grenzen. Und das, obwohl die europäische Raumfahrtbehörde Esa der Industrie angeboten hatte, Experimente im Auftrag der Wirtschaft auf der Raumstation ISS durchzuführen. „Weshalb es diese Auftragsflaute zurzeit gibt, weiß ich nicht“, räumte Ewald ein. Womöglich ließen sich auf Auktionärstreffen langwierige Experimente schlecht als gewinnbringend darstellen. Er wies darauf hin, dass es sogar Zusagen gebe, wonach die Raumfahrtbehörde auch zugesichert habe, Patentrechte von Unternehmen zu akzeptieren. „Zwar gibt es etwa mit der Pharma-Industrie Kooperationen, bei denen Proteinkristalle gezüchtet werden, aber richtige Aufträge gibt es kaum“, sagt Ewald. Jedenfalls wird sich die Wirtschaft beeilen müssen, wenn sie noch ein paar Versuche auf der ISS unterbringen will. Schon 2020 soll die ISS aufgegeben werden.