Beim Wirbelsäulenkongress in Hamburg diskutieren Experten auch über Behandlungsmängel

Hamburg. Mindestens 170 000 Menschen wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes allein 2010 an den Bandscheiben operiert - ein Teil dieser Eingriffe war medizinisch womöglich nicht nötig. Es kursieren Zahlen, wonach bis zu 40 Prozent der Operationen überflüssig gewesen sein könnten.

Diese Zahl sei nicht zu belegen, sagte der designierte Präsident der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft (DWG), Privatdozent Michael Ruf, im CCH, wo bis Sonnabend mehr als 1000 Experten zum 6. Deutschen Wirbelsäulenkongress zusammenkommen. Ruf räumte allerdings ein, dass es Mängel in der Behandlung gebe. Die Wirbelsäulenchirurgie werde immer komplexer; ständig würden neue Techniken und Implantate entwickelt. "Die Ausbildung von Fachärzten hinkt dem Fortschritt hinterher." Obwohl in der Wirbelsäulenchirurgie Spezialkenntnisse immer wichtiger würden, dürften Orthopäden, Unfallchirurgen oder Neurochirurgen bisher an der Wirbelsäule operieren, ohne entsprechende Fortbildungen absolviert zu haben.

Mit zwei Maßnahmen will die DWG nun die Qualität der Behandlung steigern. Erstens bietet die Gesellschaft ab Januar 2012 eine Fortbildung mit sechs Kursen zu neuen Operationstechniken an. Für den Abschluss erhalten die Teilnehmer ein Zertifikat. Zweitens will die DWG ab Januar ein bundesweites Register einführen. Dafür werden Patienten vor und nach ihrer Rücken-OP zu ihrem Wohlbefinden befragt; der Arzt dokumentiert die OP und beurteilt sie ebenfalls in einem Fragebogen.

Ärzte können ihre Behandlung so mit den Ergebnissen anderer Kliniken vergleichen (wobei die Kliniken anonym bleiben); Krankenkassen könnten später womöglich auch Zugriff haben, wobei ihnen die Namen der Kliniken für einen Qualitätsvergleich zugänglich gemacht würden. Das könnte ihre Beratung von Patienten verbessern.