In Hamburg werden weniger Druckgeschwüre bei Patienten registriert als in anderen Bundesländern, zeigt ein neuer Krankenhausspiegel.

Hamburg. Über Druckgeschwüre sprechen Krankenhäuser meist nur ungern. Denn die Symptome, von Hautrötungen bis zu tiefen Wunden, entstehen vor allem, weil Patienten im Bett nicht genug bewegt werden. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, denen es schwerfällt, sich selbst zu bewegen. Eine hohe Rate von Dekubitus, so der Fachbegriff, gilt deshalb als Zeichen für eine schlechte Behandlungsqualität. Insofern ist es bemerkenswert, dass Hamburgs Kliniken ihre Fallzahlen jetzt offenlegen - deutschlandweit als Erste. Nachzulesen sind die Daten seit gestern auf der Internetplattform Hamburger Krankenhausspiegel (www. hamburger-krankenhausspiegel.de).

Dort ist unter dem Oberpunkt "Qualitätsergebnisse" und dem Unterpunkt "Vermeidung von Druckgeschwüren" für 23 Krankenhäuser aufgeführt, wie viele Patienten ab 75 Jahren sich während ihres Aufenthalts wund gelegen haben und in welchen Schweregraden die Wundgeschwüre auftraten. Nicht veröffentlichen wollte das Amalie-Sieveking-Krankenhaus seine Daten zur Vermeidung von Druckgeschwüren; das Altonaer Kinderkrankenhaus und das Kinderkrankenhaus Wilhelmsstift sind nicht aufgeführt, weil sie keine Patienten ab 75 Jahren behandeln.

Von den fast 95 000 Patienten, die 2010 in Hamburger Kliniken in stationärer Behandlung waren, zogen sich 983 - also rund ein Prozent - Druckgeschwüre zu. Dieser Anteil ist nach Angaben der Landesgeschäftsstelle für externe Qualitätssicherung, an die alle Werte von den Krankenhäusern gemeldet werden, seit 2008 konstant, und er liegt knapp unter dem Bundesdurchschnitt von 1,1 Prozent. Mit eingerechnet seien zahlreiche leichte Fälle, bei denen es zu Rötungen und Wärmegefühlen kam, die Haut aber intakt blieb (Grad 1), sagte Dr. Claudia Brase, Geschäftsführerin der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, die den Krankenhausspiegel organisiert.

Nur zehn Patienten hätten sich gefährliche Druckgeschwüre zugezogen, bei denen es zu schweren Verletzungen nicht nur der Haut, sondern auch der Muskeln, Sehnen und Knochen kam (Grad 4). Nehme man die Fälle zweiten bis vierten Grades, sei die Tendenz in Hamburg seit vier Jahren fallend; 2010 habe der Anteil dieser Fälle bei 0,63 Prozent gelegen, also weit unter dem Bundesdurchschnitt.

"Die Situation ist in Hamburg deutlich besser als in anderen Städten", sagte Prof. Klaus Püschel, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am UKE. Püschel untersucht auch viele Verstorbene aus Krankenhäusern; er hatte in der Vergangenheit mehrfach öffentlich kritisiert, dass Druckgeschwüre zu wenig beachtet würden. Auch auf sein Betreiben hin entstand 2009 ein Aktionsbündnis - mit dem Ziel, die Dekubitus-Zahlen zu senken. Zu dem Bündnis gehören neben Püschels Institut und der Krankenhausgesellschaft die Ärztekammer, der Hausärzteverband, die Landesgeschäftsstelle externe Qualitätssicherung und die Pflegegesellschaft. Die guten Ergebnisse für 2010 werten die Partner als ersten Erfolg.

Die niedrigen Fallzahlen seien insbesondere auf Schulungen sowie auf Kontrollen zurückzuführen: So lässt sich die Landesgeschäftsstelle externe Qualitätssicherung zweimal pro Jahr von jeder Klinik zehn Patientenakten kommen und überprüft diese. Ein weiterer Grund für den Erfolg sei, dass es mittlerweile in allen 23 Kliniken sogenannte Wundmanager gebe, also speziell geschulte Ärzte oder Pfleger.

Am besten verdeutlicht die Situation jenes Schaubild, das Risikopatienten miteinbezieht (siehe Grafik). Das sind Menschen, die ein zusätzliches Risiko haben, Druckgeschwüre zu entwickeln, etwa Patienten auf Intensivstationen. Ihr Anteil unterscheidet sich zwar von Klinik zu Klinik, der Dekubitus-Anteil ist aber so umgerechnet, als ob alle Kliniken die gleiche Zahl an Risikopatienten hätten. Zwar muss man berücksichtigen, das womöglich bis zu zwei Drittel aller Wundgeschwüre dritten und vierten Grades nicht vermeidbar sind. Dennoch lässt die Darstellung einen Qualitätsvergleich zu.

Klaus Püschel mahnte, dass es trotz der positiven Entwicklung in den Kliniken in Hamburg weiterhin "ein Problem in Altenheimen und in der privaten Pflege" gebe. "In bestimmten Pflegeeinrichtungen häufen sich Dekubitus-Fälle dritten und vierten Grades", sagte er, wollte aber auf Nachfrage keine Einrichtungen benennen. Es gebe an einigen Stellen eine "Allianz des Schweigens", gebildet von Pflegeorganisationen und Ärzten. Diesen Zustand zu ändern sei Sache der Politik. Auch Claudia Brase, Geschäftsführerin der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, hofft auf Verbesserungen: "Vielleicht sind bald auch Pflegeeinrichtungen bereit, ihre Daten offenzulegen, so wie es jetzt die Kliniken tun."