Physiker wiederholen Test mit präziserer Methode - und messen erneut Rekordgeschwindigkeit

Genf/Hamburg. Es wäre eine Jahrhundertsensation, und ein Teil von Albert Einsteins spezieller Relativitätstheorie müsste erweitert werden, würde es tatsächlich stimmen: Im September gaben Physiker der Opera-Kollaboration bekannt, sie hätten Partikel gemessen, die schneller als das Licht flogen. Diese Neutrinos, elektrisch neutrale Elementarteilchen mit sehr geringer Masse, waren als gepulste Strahlen auf eine 730 Kilometer lange Reise geschickt worden: Vom Cern in Genf durch die Erde bis zu einem Labor im italienischen Gran Sasso-Massiv. Dort kamen sie 60 Milliardstel Sekunden früher an, als man es bei Lichtgeschwindigkeit annehmen würde.

Nun hat die gleiche Gruppe das Experiment mit einer präziseren Methode wiederholt - und die Sensation näher rücken lassen: "Der Effekt hat sich bestätigt", sagt Caren Hagner, Professorin für Experimentalphysik an der Uni Hamburg, die mit ihrem Team einen Teil des Detektors gebaut hat, den die Opera-Forscher im Gran Sasso nutzen.

Bei der ersten Studie war die Startzeit der Neutrinos auf zehn Millionstel Sekunden genau gemessen worden. Wie aber, monierten Kritiker, sollte sich dann im Abgleich mit der Ankunft die Flugzeit auf Milliardstel Sekunden genau bestimmen lassen? "Um das hinzubekommen, waren statistische Tricks nötig", erläutert Caren Hagner. Anders bei der zweiten Versuchsreihe, die in den vergangenen Wochen stattfand: Hierfür erzeugten Forscher am Cern erheblich kürzere Strahlenpulse, sodass sich die Startzeit der Teilchen auf zwei Milliardstel Sekunden genau messen ließ. Wieder wurden die Neutrinos losgeschickt - und wieder kamen sie 60 Milliardstel Sekunden über Lichtgeschwindigkeit ins Ziel.

Der Durchbruch ist das noch nicht. Auch bei dieser Messung kann es zu Fehlern gekommen sein. Ein Beispiel: Wenn die Neutrinos im Gran Sasso ankommen, werden sie in ein elektronisches Signal umgewandelt, das mit Lichtgeschwindigkeit durch die Kabel und Armaturen des Teilchendetektors rast. Ist die Länge der Kabel nur um Zentimeter falsch vermessen, verfälscht das die Zeitmessung. Als bewiesen gelten die Messungen erst, wenn ein zweites, unabhängiges Team, etwa die Physiker von Fermilab in Chicago, die Ergebnisse aus Genf reproduzieren. "Innerhalb des nächsten Jahres sollten wir mehr wissen", sagt Hagner.