Neue Ergebnisse der UKE-Forscher: Je schwerer die Erkrankung ausgeprägt ist, desto stärker kommunizieren bestimmte Hirnareale miteinander.

Hamburg. Bislang deutete die Wissenschaft starke Verbindungen zwischen unterschiedlichen Hirnarealen als Zeichen für eine bessere Verarbeitung der Informationen. Die Forschungsgruppe um Prof. Andreas Engel vom Institut für Neurophysiologie und Pathophysiologie am Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) zeigte nun, dass auch das Gegenteil zutreffen kann. Ihre Untersuchungen von Patienten mit Multipler Sklerose (MS) ergaben ein überraschendes Ergebnis: Je stärker die Nervenfasern im Gehirn geschädigt und unterschiedliche geistige Leistungen beeinträchtigt waren, desto mehr kommunizierten bestimmte Hirnareale miteinander.

+++ Multiple Sklerose ist kein Risiko bei Schwangerschaft +++

Rund 130 000 Menschen in Deutschland leiden an Multipler Sklerose. Die Krankheit kann zum Beispiel mit Kribbeln in den Beinen beginnen, Flimmern im Gesichtsfeld oder Störungen der Aufmerksamkeit oder des Gedächtnisses. Sie entsteht dadurch, dass das körpereigene Immunsystem die Isolierschicht angreift, von der die Nerven im Gehirn und im Rückenmark umhüllt werden. Das führt zu Entzündungsherden, die überall im zentralen Nervensystem sitzen können, was die Vielfalt der Symptome erklärt. Die MS ist die häufigste Ursache für neurologische Störungen im frühen Erwachsenenalter und bricht meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr aus.

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des UKE hat jetzt analysiert, wie die MS die Architektur des Gehirns verändert, und berichtet darüber in der US-Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences". Bei ihren Untersuchungen fanden die Wissenschaftler heraus, dass bestimmte Hirnareale umso stärker miteinander kommunizieren, je deutlicher die MS wütet.

Die Methode könnte eingesetzt werden, um das Ausmaß der MS zu bestimmen

"Dabei handelt es sich um Gehirnbereiche, von denen bekannt ist, dass sie dann aktiv sind, wenn der Mensch sich in einem Ruhezustand befindet und das Gehirn nicht mit besonderen Aufgaben beschäftigt ist", sagt David Hawellek. Er ist Doktorand in dem Institut und hat die Studie durchgeführt. Warum gerade diese Areale bei MS-Patienten stärker miteinander kommunizieren, ist noch unklar. Momentan gehen die Forscher davon aus, dass der Verlust vieler Verbindungen dazu führt, dass die Netzwerke weniger variabel reagieren und daher verstärkt kommunizieren. "Und unsere Ergebnisse zeigen, welche extrem wichtige Position diese Hirnareale im Gehirn haben, auch wenn ihre Funktion noch nicht vollständig aufgeklärt ist", sagt Hawellek.

Wunsch der Forscher ist es, aus ihren Ergebnissen neue diagnostische und therapeutische Ansätze bei MS zu entwickeln. Etwa als eine Art Biomarker für die geistigen Leistungen des Gehirns, wie Hawellek sagt: "Da die MS dafür bekannt ist, dass sie sehr unterschiedliche Symptome zeigt, je nachdem, wo im Gehirn die Entzündungsherde sitzen, könnte man mit dieser Methode das objektive Ausmaß der Erkrankung bestimmen." Zudem könnten die Ergebnisse helfen, Veränderungen der Hirnarchitektur künftig auch bei anderen Krankheiten besser deuten zu können.