Providence. Kohlenstoff-Nanoröhren gelten wegen ihrer außergewöhnlichen mechanischen und elektrischen Eigenschaften als Wunderwerkstoff: Sie sind erheblich leichter als Stahl, aber bis zu 100-mal zugfester, und sie können bis zu 100-mal mehr elektrische Ladungen aufnehmen als Kupfer. Diverse Forschungsprojekte testen den Einsatz der winzigen Röhren zum Beispiel in neuartigen Computerchips, Akkus, Kunststoffen und Flugzeugtragflächen. Was aber, wenn diese Strukturen, die tausendfach dünner sind als ein Haar, in die Umwelt gelangen und vom Menschen aufgenommen werden?

Von Astbestfasern, die Kohlenstoff-Nanoröhren ähneln, ist schon lange bekannt, dass sie die Lunge schädigen - unklar war jedoch, wie genau dies geschieht. Nun haben Forscher der Brown University in Providence den Mechanismus entschlüsselt. Durch molekulare Simulationen und Experimente konnten sie zeigen, dass Kohlenstoff-Nanoröhren und Nanodrähte aus Gold mit einem Ende voran in einem 90-Grad-Winkel in menschliche Zellen eindringen. Weil die Enden der Nanoröhren gerundet sind, erkennen die Zellen sie nicht als längliche Strukturen, sondern halten sie für kugelförmige, kleine Partikel, die leicht zu verschlucken sind. "Das ist so, als würden wir einen Lutscher essen, der länger ist als wir selbst: Er würde feststecken", sagt Huajian Gao, einer der Autoren der Studie, die im Magazin "Nature Nanotechnology" veröffentlicht worden ist.

Wenn die Zelle den Irrtum bemerkt, ist es zu spät; sie schafft es nicht mehr, sich von dem feststeckenden Fremdkörper zu befreien: "Die Zelle löst dann eine Immunreaktion aus, die zu Entzündungen führen kann", erläutert Gao. Doch das muss nicht sein, wie die Forscher herausfanden. "Wenn die gerundete Spitze einer Kohlenstoff-Nanoröhre abgeschnitten wird, was bedeutet, dass sie sich der Zelle offen und hohl zeigt, kommt die Röhre auf der Zelle zum Liegen, statt in sie einzudringen", sagt Xinghua Shi, Erstautor der Studie. Würden die Nanoröhren entsprechend konstruiert, könnte man so wohl Schaden verhindern.