Wer viel fliegt, ist stärker der Höhenstrahlung ausgesetzt. Sie variiert mit der Sonnenaktivität. Von 2004 bis 2009 stieg die Belastung deutlich.

Berlin. Die Strahlenbelastung der 36.000 Berufstätigen, die als fliegendes Personal ihre Hauptarbeitszeit über den Wolken verrichten, ist im Zeitraum 2004 bis 2009 um 20 Prozent angestiegen. Das meldet das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und begründet den Anstieg mit der schwächeren Sonnenaktivität. Auch Vielflieger, die häufig auf Routen über die nördlichen Polregionen (etwa nach New York) unterwegs sind, seien womöglich "leicht erhöhten Strahlenrisiken ausgesetzt", so das BfS; einige Studien lieferten entsprechende Hinweise. Einzelne Urlaubsflüge erhöhen die individuelle Strahlenbelastung nur geringfügig.

Strahlenschützer unterscheiden generell zwischen natürlichen und künstlichen Strahlenquellen. Im Fall der energiereichen ionisierenden Strahlung (Röntgen- und Gammastrahlung) sind die Menschen auf natürlichem Wege etwa der Höhenstrahlung oder dem radioaktiven Edelgas Radon und dessen Zerfallsprodukten ausgesetzt. Die einzig relevante Belastung der Bevölkerung durch künstliche Quellen sind medizinische Anwendungen, etwa Röntgenaufnahmen.

Jeder Bundesbürger ist einer Jahresdosis von durchschnittlich vier Millisievert (mSv/a) ausgesetzt. 2,1 mSv/a stammen aus natürlichen Quellen. Die wichtigste bildet das Radon, ein Zerfallsprodukt von Uran. Es trägt mit 1,1mSv/a zur durchschnittlichen Strahlenbelastung bei. Allerdings gibt es je nach Bodenbeschaffenheit große regionale Unterschiede. So liegt die örtliche Belastung in Südthüringen oder im Erzgebirge etwa fünffach höher als im Hamburger Raum.

Die restliche natürliche Hintergrundbelastung von einem Millisievert pro Jahr entsteht jeweils etwa zu einem Drittel durch Nahrungsaufnahme, Zerfallsprozesse im Boden und die kosmische Strahlung oder Höhenstrahlung. Sie variiert stark mit dem Aufenthaltsort: Wer auf Meereshöhe in Hamburg spazieren geht, wird deutlich weniger belastet als ein Bergsteiger. Fluggäste und -personal werden am stärksten kosmisch bestrahlt.

Da auch der Zeitraum der Strahlenexposition die Jahresdosis bestimmt, sind Piloten und Flugbegleiter besonders betroffen. Sie waren im Jahr 2009 zusätzlichen 2,35 mSv ausgesetzt, so die BfS-Studie. Damit zählen sie "zu den Berufsgruppen mit der höchsten Strahlenexposition" - der Grenzwert für eine zusätzliche berufliche Belastung liegt bei 20 mSv pro Jahr.

Von Natur aus erreicht nur ein geringer Teil der lebensfeindlichen Strahlen aus dem All die Erdbewohner. Dafür sorgen drei natürliche Schutzschilde: Die Atmosphäre fängt einen Teil der galaktischen Partikel ab und macht sie unschädlich. In höheren Sphären spannt sich zudem das Erdmagnetfeld wie ein Schutzschirm um den Blauen Planeten. Dieses funktioniert im Bereich des Äquators, wo die Feldlinien annähernd parallel zur Erdoberfläche verlaufen, deutlich besser als über den Polen. Deshalb ist auf einem Flug über die Polarroute nach New York die Strahlenbelastung fast dreimal so hoch wie auf einem Flug nach Johannesburg (Südafrika), der den Äquator quert.

Schutzschild Nummer drei hängt von der Sonne ab und führte zu dem Anstieg, den das BfS für die Beschäftigten im Luftverkehr (Passagiermaschinen, Luftfracht, Militär etc.) errechnet hat: Wenn die Aktivität der Sonne hoch ist, also viele Flecken auf ihrer Oberfläche zu beobachten sind, führt dies zu einem stärkeren Sonnenwind. Der Strom aus geladenen Teilchen dringt zwar auch in die Atmosphäre ein. Aber vor allem lenkt er einen Teil der kosmischen Strahlung ab. Deshalb gilt die Regel: Je stärker die Sonnenaktivität, desto geringer wird die Höhenstrahlung (eine Ausnahme bilden solare Eruptionen). Im Zeitraum 2004 bis 2009 wurde die Sonne deutlich inaktiver; und der Sonnenwind büßte an Schutzwirkung ein. Inzwischen ist sie wieder aktiver und bietet besseren Strahlenschutz.

Ob der kosmische Teilchenbeschuss das fliegende Personal krank machen kann, ist umstritten. Das BfS verweist auf "einzelne epidemiologische Studien", die auf ein leicht erhöhtes Risiko hindeuten. "Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Höhenstrahlung und z. B. der Häufigkeit von Krebserkrankungen ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand aber wissenschaftlich nicht gesichert", heißt es.

Das gilt erst recht für Urlaubsreisende, die viel seltener in große Höhen aufsteigen. Ein Flug nach New York und zurück bringt eine Zusatzbelastung von "nur" 0,1 mSv. Doch sollte ionisierende Strahlung vorsorglich gemieden werden. "Wenn ein Flug zu privaten Zwecken durchgeführt wird, liegt es im persönlichen Ermessen des einzelnen Bürgers, abzuwägen, ob er einen Flug für gerechtfertigt hält und wie er die Risiken eines Fluges gegen die Risiken alternativer Verkehrsmittel zu Wasser oder zu Lande abwägt", so der Bericht.