In Tiefseemuscheln lebende Mikroorganismen gewinnen ihre Energie aus Wasserstoff.

Hamburg. Sonnenlicht ist fundamental für die meisten Lebensformen, aber in die Tiefsee dringt es nicht hinab; deshalb ist der Meeresboden dort unten karg und unwirtlich. Entlang von Unterwassergebirgen existieren jedoch Oasen des Lebens: Aus bis zu 400 Grad heißen Quellen, sogenannten Schwarzen Rauchern, entweichen massenweise schwarze Flüssigkeit und Gase, in denen unter anderem Methan, Schwefelwasserstoff, Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff enthalten sind. Diese Substanzen nutzen Bakterien, um Biomasse zu erzeugen, die unzählige Würmer, Krebse und Muscheln ernährt.

Bisher war bekannt, dass die Bakterien ihre Energie aus Methan oder Schwefelwasserstoff gewinnen. Chemosynthese nennen Forscher diese Reaktionen, in Analogie zur Photosynthese. Bremer und Hamburger Forscher haben nun Bakterien entdeckt, die in den Kiemen von Muscheln leben und Energie aus Wasserstoff gewinnen. Mit dieser Energie und mit Enzymen stellen die Bakterien dann aus CO2 organische Substanzen her, die den Muscheln als Futter dienen. Während weltweit Ingenieure an mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen arbeiten, haben die Weichtiere solche Brennstoffzellen also schon an Bord - in Form der Bakterien.

Über ihre Entdeckung berichten das Team um Nicole Dubilier vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen und Forscher vom Klimacampus der Universität Hamburg in der neuen Ausgabe des Fachmagazins "Nature". Die Forscher hatten mit den Tauchrobotern "Kiel 6000" und "Marum-Quest" in 3000 Meter Tiefe Proben am Logatchev-Hydrothermalfeld genommen. Dieses befindet sich am Mittelatlantischen Rücken, etwa auf halber Strecke zwischen der Karibik und den Kapverdischen Inseln.

"In der Flüssigkeit aus den Quellen haben wir Wasserstoffkonzentrationen gemessen, die eine Million Mal höher liegen als in normalem Meerwasser. Es war naheliegend, dass dort lebende Bakterien den Wasserstoff nutzen", erzählt Biogeochemiker Dr. Richard Seifert von der Universität Hamburg, der an der Expedition beteiligt war. Zurück im Labor, konnten die Forscher dann in den Bakterien Enzyme nachweisen, die Wasserstoff umsetzen können.

Gelänge es Wissenschaftlern, die Fähigkeiten solcher Bakterien zu kopieren, könnte man ihre speziellen Enzyme künftig womöglich in technischen Anwendungen einsetzen.