Im Klinikum Nord werden Patienten während des Eingriffs am Gehirn im MRT durchleuchtet, um Tumore möglichst exakt zu entfernen.

Hamburg. Der technische Fortschritt liefert immer detaillierte Aufnahmen vom Inneren des menschlichen Körpers, immer feinere Operationsmethoden. Jetzt können Neurochirurgen am Asklepios-Klinikum Nord in Heidberg schon während der Operation eines Hirntumors mithilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) überprüfen, ob sie das gesamte sichtbare Tumorgewebe entfernt haben. "Wir können jetzt noch radikaler operieren und dadurch die Überlebenszeit der Patienten deutlich verlängern", sagt Prof. Paul Kremer, Chefarzt der Neurochirurgie am Klinikum Nord.

In Heidberg steht das erste intraoperative MRT-Gerät Hamburgs. Es ist von zwei Seiten zugänglich und kann sowohl für Operationen als auch für den normalen Betrieb des Krankenhauses genutzt werden. "Dieses Konzept ist bisher weltweit einmalig. Würden wir das Gerät nur für die Hirntumor-Operationen nutzen, wäre das unwirtschaftlich. Aber dadurch, dass alle Fachrichtungen auf das MRT zugreifen können, rentiert sich die Anschaffung", sagt Kremer. Die Hamburger Gesundheitsbehörde hat 18 Millionen Euro in den dafür nötigen Umbau investiert. Die 1,2 Millionen Euro für das Gerät hat Asklepios bezahlt.

Seit Anfang Juli ist es im Einsatz. Der Patient, der heute auf dem OP-Tisch liegt, ist der vierte, der damit operiert wird. Der 66-Jährige hatte bereits einen Eingriff wegen eines Gehirntumors gehabt. Mittlerweile ist der Tumor nachgewachsen, deshalb wollen die Ärzte die Geschwulst mit einem Durchmesser von etwa vier Zentimetern entfernen. "Das Problem bei diesen Tumoren ist, dass wir sie auch mit dem hochmodernen Operationsmikroskop nicht eindeutig erkennen können, weil sie dem normalen Gehirngewebe so ähnlich sind", sagt Kremer. Um ein möglichst genaues Bild von der Geschwulst zu bekommen, eigne sich die MRT am besten, sie sei genauer als Untersuchungen mit Ultraschall oder Computertomogramm.

Um sich im Gehirn des Patienten zu orientieren, haben die Ärzte vor der Operation eine MRT-Aufnahme gemacht, die während des Eingriffs auf dem Monitor erscheint. Am OP-Tisch und an einigen Instrumenten sind Sensoren angebracht, die Signale an den Computer senden, der sie auf die Aufnahmen überträgt. Mithilfe dieser Navigation kann der Operateur feststellen, wo er sich mit seinen Instrumenten im Operationsfeld befindet.

Aber selbst wenn er das gesamte sichtbare Tumorgewebe entfernt hat, heißt das nicht, dass alle bösartigen Zellen beseitigt sind. Da die Geschwulst diffus ins Gewebe hineinwächst, bleibt eine Infiltrationszone rund um den Tumor, die auch bei der feingeweblichen Untersuchung kaum erkennbar ist.

Bevor die OP an diesem Morgen in Heidberg starten kann, müssen umfangreiche Vorbereitungen getroffen werden. Um 8.30 Uhr liegt der Patient in Narkose auf dem OP-Tisch. Sein Kopf wird in einer speziellen Haltevorrichtung fixiert, die kein Metall enthalten darf, damit es später keine Probleme im Magnetfeld des MRT-Geräts gibt. "Allein diese Halterung hat schon 400 000 Euro gekostet", erzählt Kremer. Der Körper des Patienten wird mit sterilen Tüchern abgedeckt. Auch hier gilt das Gebot: kein Metall. Klebestreifen und kleine Plastikklammern ersetzen die sonst üblichen Metallklemmen.

Dann beginnt der Eingriff: Kremer legt über einen Hautschnitt den Schädelknochen frei und entfernt ein rundes Knochenfragment, das nach der ersten OP mit Titanklammern in der Schädeldrecke des Patienten befestigt worden war. Danach öffnet er die Hirnhaut - der Blick auf das Gehirn ist frei. Mit der Navigation überprüft Kremer die Lage des Tumors und löst ihn dann unter dem Operationsmikroskop behutsam Stück für Stück aus dem umgebenden Gewebe heraus. Zwischendurch schaut er auf die Uhr und sagt an, wann die MRT-Untersuchung beginnen kann.

Denn damit das MRT-Gerät vom OP aus genutzt werden kann, muss der Raum, in dem es steht, gut vorbereitet werden: Er wird extra gereinigt und ein spezielles Lüftungssystem sorgt dafür, dass dort die gleichen keimarmen Luftbedingungen herrschen wie im Operationssaal. Das dauert ungefähr eine halbe Stunde. Um 11.15 Uhr hat Kremer den ersten Teil der Operation beendet. Jetzt wird der Patient für den Transport zum Gerät vorbereitet. Sein Kopf wird mit sterilen Tüchern abgedeckt, Infusionsschläuche und Überwachungskabel werden umgesteckt. Der Patient wird mit der Unterlage auf einen rollbaren Tisch hinübergezogen und von dort auf die Liegefläche des MRT geschoben. Die künstliche Beatmung wird an ein anderes Gerät angeschlossen, das nicht durch das Magnetfeld gestört wird. Um 11.30 Uhr beginnt die Untersuchung.

Eine halbe Stunde später erscheinen die neuen Aufnahmen auf dem Monitor im OP. Darauf sind noch zwei kleine Reste des Tumors zu erkennen. Nachdem die Bilder mit der Navigation abgeglichen worden sind, entfernt Kremer das restliche Tumorgewebe.

Das neue MRT ist für Kremer ein Highlight seiner Arbeit. Schon während seiner Tätigkeit in der Uniklinik Heidelberg hat er das Verfahren mit entwickelt und hat es seit sechs Jahren in Hamburg konsequent weiterverfolgt. Wenn alles läuft wie geplant, soll das intraoperative MRT in Heidberg bei etwa der Hälfte der Gehirntumor-Operationen pro Jahr zum Einsatz kommen. Kremer: "Wir operieren, solange es möglich ist und der Patient einen Vorteil von der Operation hat." Einen kleinen Wermutstropfen gibt es noch: Die MRT-Leistung kostet 1000 Euro, die die Krankenkassen nicht übernehmen. Dabei sind diese Zusatzkosten überschaubar - ohne die Untersuchung kostet die OP 12 000 bis 15 000 Euro.