Durch Genveränderungen sind diese Kinder später ängstlicher und weniger neugierig

Konstanz. Häusliche Gewalt verändert laut einer neuen Studie die Erbanlagen von Kindern im Mutterleib. Verhaltensauffälligkeiten und ein höheres Risiko für seelische Erkrankungen könnten dadurch ausgelöst werden, teilte die Universität Konstanz gestern mit. Die bereits aus Studien mit Mäusen vermutete Annahme hat ein Forscherteam aus Psychologen und Biologen erstmalig auf molekularer Basis für Menschen nachweisen können.

Das Forscherteam erkannte eine Veränderung der Desoxyribonukleinsäure (DNS), des Trägermoleküls der Erbinformation. Das Gen, bei dem die Forscher die Veränderung feststellten, hat viele Funktionen. "Unter anderem ist es dafür zuständig, dass das Stresshormon Cortisol seine Wirkung im Gehirn entfalten kann", sagte der Evolutionsbiologe Prof. Axel Meyer, der zusammen mit seinem Kollegen, dem Psychologen Prof. Thomas Elbert, die Studie geleitet hat.

"Die genetische Ausprägung im Kind verändert sich, es entwickelt eine anfälligere Stressachse", erklärt Elbert die Auswirkungen auf das Kind. Der Körper der Mutter signalisiere diesen Kindern, dass sie in einer bedrohlichen Umgebung aufwachsen werden. Die Kinder verhielten sich dadurch in ihrem späteren Leben ängstlicher und weniger neugierig, so der Forscher.

Die Konstanzer Wissenschaftler konnten Genveränderungen bei zehn- bis 19-jährigen Kindern und Jugendlichen erkennen, deren Mütter in der Schwangerschaft häuslicher Gewalt ausgesetzt waren. "Ob diese Genveränderungen auf die Generation der Enkel weitervererbt werden, ist noch nicht klar. Das müssen weitere Studien klären", sagte Meyer.

Das Forscherteam weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass seine Studie trotz der sichtbaren Zusammenhänge kein letztgültiger Beweis ist. Es sei sehr wahrscheinlich, dass dies nicht das einzige Gen sei, das in diesem Zusammenhang eine Rolle spiele, sagte Meyer. Deswegen wollen die Wissenschaftler im nächsten Schritt die Untersuchung der stressverursachten Veränderungen auf das gesamte Genom ausweiten und die biologischen Mechanismen detailliert analysieren.

Grundlage dieser Untersuchungen ist die Epigenetik, ein noch relativ junges Forschungsgebiet in der Molekularbiologie. Bei epigenetischen Prozessen ändert sich nicht die Abfolge der einzelnen Bausteine des menschlichen Erbguts, das aus rund 25 000 Genen besteht. Sondern an die DNS werden chemische Substanzen angehängt, die als Steuerelemente Gene an- und ausschalten können. Laut den bisherigen Forschungen ist dieses Epigenom für äußere Einflüsse weitaus anfälliger als das eigentliche Erbgut.