Auf der Tagung der Internationalen Walfangkommission streiten die Mitgliedstaaten über Schutzzonen und Maßnahmen gegen Korruption

Hamburg. Der Wal will abtauchen, doch es ist zu spät. Die Harpune trifft ihn tief ins Fleisch. Er schlägt heftig mit der Schwanzflosse, bäumt sich auf - vergeblich: Der Widerhaken sitzt fest. Es ist der Moment, in dem die Jäger wissen, dass sie gewonnen haben. Ein weiterer Fang, ein strittiger Erfolg.

Szenen wie diese ereignen sich jedes Jahr wieder auf den Weltmeeren, und sie werden wohl auch in Zukunft zu beobachten sein, sagt Petra Deimer von der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere (GSM). Die Walexpertin blickt in diesen Tagen wenig hoffnungsfroh in Richtung der britischen Kanalinsel Jersey, wo heute die Hauptverhandlung der Internationalen Walfangkommission (IWC) beginnt. Bis zum 14. Juli verhandeln 89 Staaten über die Zukunft der Meeresäuger.

Die Fronten scheinen geklärt. Eigentlich ist Walfang zu kommerziellen Zwecken durch ein von der IWC verabschiedetes Moratorium seit 1986 verboten. Fast alle Mitgliedstaaten der IWC halten sich daran. Doch einige Länder nutzen juristische Schlupflöcher, um die Vereinbarung zu umgehen. Japan etwa beruft sich auf "wissenschaftliche Forschungszwecke", Norwegen hingegen hat immer wieder Einspruch gegen das Moratorium erhoben und Island laviert nach Ansicht von Experten zwischen diesen beiden Taktiken. Bis zu 1500 Großwale werden so nach Angaben von Tierschützern jedes Jahr getötet. "Das Moratorium besteht leider nur auf dem Papier", sagt Petra Deimer.

Trotzdem oder gerade deshalb streiten die Staaten auf der IWC-Konferenz jedes Jahr wieder über Artenschutz und Fangquoten. Die Erwartungen von Tierschutzorganisationen und Meeresbiologen an die diesjährige Tagung sind allerdings gering. "Die Chancen, die Großwale zu schützen, werden sich durch die Verhandlungen wahrscheinlich nicht verbessern", sagt Deimer. Andererseits werde es auch keine Legalisierung des Walfangs geben.

Das würde allerdings auch bedeuten, dass Grauzonen, die den Walfang möglich machen, vorerst bestehen bleiben. Veränderungen des Moratoriums sind nur möglich, wenn eine Dreiviertelmehrheit der IWC-Mitglieder neuen Anträgen zustimmt. Mit Spannung erwarten Beobachter deshalb die Entscheidung über ein von Brasilien und Argentinien gefordertes Schutzgebiet für Wale im südlichen Atlantik.

Ähnliche Anträge waren früher stets an der Dreiviertelmehrheit gescheitert - etwa durch den Stimmenkauf der Japaner, sagt Petra Deimer. "Japan sichert sich im Vorfeld der Tagungen vor allem durch finanzielle Zuwendungen an Staaten der Karibik, Zentralafrikas und kleine Inseln im Pazifik Unterstützung zu. Das wird auch dieses Jahr so sein." Trotz der Atomkatastrophe, die in Japan hohe Kosten verursacht hat, werde sich an der Bestechungspraxis der Asiaten nichts ändern. "Der politische Wille Japans zur Durchsetzung des Unterfangens ist größer als das Loch in der Staatskasse." Hoffnung gibt es für Tierschützer dennoch: Großbritannien will im Rahmen der Konferenz auf Jersey einen Vorschlag für mehr Transparenz und eine größere Effektivität der Kommission einreichen. Er sieht unter anderem vor, die Korruption einzudämmen. So sollen Mitgliedsbeiträge in Zukunft nicht mehr mit Bargeld beglichen werden können, sondern von einem Regierungskonto des jeweiligen Mitgliedstaates überwiesen werden.

"Dubiose Geldtransfers, die bei früheren Konferenzen abgehandelt wurden, könnten auf diese Weise erschwert werden", sagt Harald Benke, Direktor des Deutschen Meeresmuseums in Stralsund. Der Walforscher hält den Vorstoß der Briten für begrüßenswert und ist gespannt, ob sich bei der Konferenz in Jersey eine Mehrheit für die neue Regelung finden wird. Die Umweltschutzorganisation WWF fordert indes eine Meldepflicht für Zusammenstöße zwischen Walen und Schiffen. Für einige Wal-Arten seien solche Kollisionen mittlerweile ein größeres Problem als die direkte Jagd.

Walfänger können die auf der Konferenz angestrebten Restriktionen nicht nachvollziehen. "Walfang ist nichts anderes als die kommerzielle Zucht von Hühnern oder Schweinen", sagt beispielsweise der isländische Walfangjäger Kristján Loftsson. Sein Standpunkt und die Meinung anderer Walfänger wird in einer am kommenden Mittwoch im NDR-Fernsehen ausgestrahlten Dokumentation deutlich gemacht ("Giganten in Gefahr", 20.15 Uhr). Für Loftsson gehört die Jagd zum täglichen Geschäft. Eine Null-Prozent-Fangquote, wie sie manche Länder fordern, hält er für inakzeptabel.

Einen Kompromiss zwischen den Jägern und Schützern der Wale zu finden wird demnach schwierig. Auch auf Jersey. "Bei der IWC-Konferenz wird viel vom Verhalten Japans abhängen", sagt Harald Benke. Das Land hatte einmal signalisiert, den teuren Hochsee-Walfang unter Umständen zugunsten der Küstenjagd aufgeben zu wollen - ohne dies dann umzusetzen.