Das Bakterium müsse in seinem natürlichen Reservoir bekämpft werden, sagt ein Veterinär. Wie, ist allerdings noch unklar

Gießen. Um die Menschen vor Krankheiten wie EHEC zu schützen, müssen Tierärzte und Humanmediziner besser zusammenarbeiten. Dieser Ansicht ist Prof. Lothar Wieler, Vorstandsmitglied der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) aus Berlin. "Wenn es uns gelingt, in Wiederkäuern die Zahl der EHEC-Bakterien zu reduzieren, dann ist das eine Vorbeugemaßnahme für die Humangesundheit", sagte er am Rande einer Tagung über Escherichia-coli-Bakterien (E. coli) bei Mensch und Tier in Gießen. EHEC (Enterohämorrhagische Escherichia coli) sind eine besondere Form von Kolibakterien, die innere Blutungen auslösen können.

"Wir möchten in Wiederkäuern so wenige EHEC wie möglich haben", sagte Wieler, der das Arbeitsgebiet Infektionsmedizin der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft leitet. "Je mehr EHEC in Wiederkäuern vorkommen, desto größer ist auch die Gefahr, dass sie irgendwann auf einen Menschen treffen - zum Beispiel über Lebensmittel oder über direkten Tier-Mensch-Kontakt."

Das natürliche Reservoir von EHEC, so Wieler, sei der Darm von wiederkäuenden Pfanzenfressern wie Rindern oder Schafen. "Die Tiere werden davon nicht krank, bei Menschen aber kann der Erreger blutigen Durchfall verursachen." Die besonders aggressive EHEC-Variante O104:H4, an der in Deutschland rund 50 Menschen starben, scheine allerdings nicht von Wiederkäuern zu stammen. Sie habe spezielle Eigenschaften, die bei Wiederkäuern nicht vorkämen. "Wir können bisher nur spekulieren, wie und wo der EHEC-Erreger O104:H4 entstanden ist, aber es sieht bislang danach aus, dass er vom Menschen kommt."

Das könnte zum Beispiel im menschlichen Darm passiert sein oder in einer Kläranlage. Eine These: Ein Mensch wird mit EHEC infiziert und trägt gleichzeitig einen anderen, krankmachenden Escherichia-coli-Keim in sich. "Dann ist vorstellbar, dass das gefährliche Shiga-Toxin über einen Genaustausch vom EHEC auf diesen anderen E. coli überspringt." Der Mensch scheidet den mutierten Erreger wieder aus. Die Exkremente kommen unter Umständen in die Kläranlage. Verunreinigtes Abwasser kann zum Beispiel durch Leckagen Trinkwasser oder Gewässer verunreinigen, sodass auf diese Weise weitere Menschen den Erreger aufnehmen können. "Das sind vorstellbare Szenarien", sagte Wieler.

Wie die Zahl der EHEC im Tierdarm reduziert werden könnte, ist Wieler zufolge umstritten: "Manche Wissenschaftler glauben, dass man das durch bestimmte Fütterungsregime schaffen kann, andere denken eher an Medikamente oder eine Impfung. Aber es gibt so viele verschiedene EHEC-Typen, dass all diese Ansätze schwer umsetzbar sein dürften."