Studie beleuchtet gesellschaftliche Unterschiede in 32 Ländern. Deutschland liegt nur im Mittelfeld

Bremen. Ein internationales Forscherteam hat in einer 32 Länder umfassenden Studie die Gründe untersucht, warum manche Gesellschaften mehr und andere weniger tolerant gegenüber Verhaltensweisen sind, die von der Norm abweichen. Die Wissenschaftler führten 6800 Interviews mit Personen aus unterschiedlichen sozialen Gesellschaftsgruppen. Das Ergebnis: Platz eins auf der Liste der tolerantesten Länder belegt die Ukraine, gefolgt von Estland, Ungarn und Israel. Deutschland gehört laut Studie nicht zu den Spitzenreitern in Sachen Toleranz: Westdeutschland belegte Rang 18. Ostdeutschland, das getrennt untersucht wurde, sogar nur Platz 23. Als besonders restriktiv in Gesellschaftsangelegenheiten wurden Pakistan, Malaysia, Singapur und Südkorea empfunden.

Einen Zusammenhang mit einer strengen Handhabung von Normen entdeckten die Forscher im Hinblick auf Faktoren, die das Leben in der Gemeinschaft auf Dauer belasten oder bedrohen - z. B. knappe Ressourcen, Kriege oder politische Repression. Eine Gesellschaft, die konstant Bedrohungen ausgesetzt ist, so die Interpretation der Autoren, neigt offenbar dazu, regelkonformes Verhalten mit Härte durchzusetzen, um den Bedrohungen durch uniformes Verhalten effizient begegnen zu können. "Die Prozesse, die zur Verankerung von Normen in der Gesellschaft führen, beispielsweise die Sozialisierung durch Tradition, Erziehung oder Schule, sind mitunter ausgesprochen langsam und können sich über viele Generationen hinziehen", kommentiert Prof. Klaus Boehnke von der Jacobs University Bremen, Co-Autor der Studie, den Befund.

Dass Ostdeutschland von seinen Bewohnern als sehr restriktiv empfunden werde, hängt laut Boehnke mit längerfristigen Nachwirkungen der unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen in Ost- und Westdeutschland zusammen. "Im Osten wurden Normverletzungen - anders als in der Zeit seit Ende der 60er-Jahre in Westdeutschland - wesentlich stärker sanktioniert", so der Forscher.