Der Kaukasus war vielleicht noch früher besiedelt

Dmanisi. Die Vorgänger des Menschen haben der gängigen Lehrmeinung zufolge von Afrika ausgehend die Welt bevölkert. Neue Erkenntnisse weisen allerdings darauf hin, dass diese frühen Wanderungen zumindest nicht nur in eine Richtung abliefen. Ausgrabungen von US-Forschern im Kaukasus haben ergeben, dass diese Region schon wesentlich früher besiedelt war, als bisher bekannt. Es sei daher wahrscheinlich, dass der Homo erectus sich in Eurasien entwickelt habe und von dort nach Afrika zurückgewandert sei, hieß es am Dienstag in einem Fachartikel.

"Die sich häufenden Belege aus Eurasien weisen auf äußerst alte primitive Populationen hin", wird Reid Ferring von der Universität von Nord-Texas in der neuen Ausgabe der "Proceedings of the National Academy of Sciences" zitiert. Jüngste Entdeckungen zeigen demnach, dass die Region um den Ort Dmanisi in Georgien zur gleichen Zeit, wenn nicht gar schon früher, vom Homo erectus besiedelt gewesen sei wie der Osten Afrikas.

Ein Team um Ferring sowie David Lordkipanidze vom Georgia National Museum entdeckte in tiefer gelegenen Schichten in Dmanisi mehr als 100 Werkzeuge sowie weitere Gegenstände aus Stein, die aus der Zeit vor rund 1,85 Millionen Jahren stammen. Zuvor dort gefundene Knochen sind lediglich rund 1,7 Millionen Jahre alt. Die jüngsten Entdeckungen seien nicht nur wesentlich älter, sondern legten zugleich den Schluss nahe, dass es sich bei den damaligen Bewohnern in Dmanisi um eine über längere Zeit sesshafte Bevölkerung gehandelt habe und nicht nur um Kolonialisten auf der Durchreise.

Bei den Bewohnern der Stätte handle es sich um die ältesten bekannten Vertreter des Homo erectus außerhalb Afrikas, sagt Ferring. Möglicherweise habe sich der Vorgänger des Menschen daher von der Region im Kaukasus aus in Richtung Afrika ausgebreitet - und nicht umgekehrt. Um dies zu belegen, sei allerdings noch weitere Forschung nötig, räumt der Wissenschaftler ein.

Der Archäologe Wil Roebroeks von der Universität im niederländischen Leiden bezeichnet die neuen Erkenntnisse seiner US-Kollegen als "wichtige Beobachtungen für unser Wissen über die frühe Besiedlung Eurasiens". Roebroeks hatte im Jahr 2005 selbst einen Artikel veröffentlicht, in dem er Asien als die Region bezeichnet, in der der Homo erectus entscheidende Entwicklungsschritte vollzog.

Wesentlich kritischer sieht Richard Potts vom Smithsonian's National Museum of Natural History in Washington die neue Theorie. "Bei den jüngst in Dmanisi gefundenen Objekten handelt es sich lediglich um Steinwerkzeuge und nicht um Knochen. Wir können also nicht wissen, wer diese Gegenstände hergestellt hat", sagt der Wissenschaftler. Um die neue Theorie zu beweisen, müsste nach seiner Ansicht erst fossiles Material aus der Spanne zwischen 1,85 und 1,78 Millionen Jahren vor unserer Zeit gefunden werden.