Mit speziellen Computermodellen lassen sich Ströme von Wasser, Lava oder auch von flüchtenden Menschen berechnen

Hamburg. Wie verhalten sich in Panik geratene Passagiere auf einem Kreuzfahrtschiff? Wie bewegt sich Materie im Kosmos, wie ein Lavafluss bei einem Vulkanausbruch? Fragen wie diese werden in zahlreichen Forschungsinstituten in aller Herren Länder mit Computersimulationen nachvollzogen oder vorempfunden. Meist kommt dabei eine spezielle Methodik zum Einsatz, die Smoothed-Particle-Hydrodynamics-Simulation, kurz SPH. Sie steht im Mittelpunkt einer internationalen Konferenz, die von morgen bis Freitag federführende SPH-Anwender an der Technischen Universität Hamburg-Harburg zusammenbringt.

Wissenschaftler der TU wenden SPH an, um die Sandbewegungen am Boden eines Hafenbeckens beim Ablegen eines großen Containerschiffs zu simulieren. "Beim Manövrieren drücken die Querstrahler große Wassermengen gegen die Kaiwand. Das Wasser strömt in alle Richtungen, auch nach unten. Dort entstehen metertiefe Auswaschungen, sogenannte Kolke. Sie können schlimmstenfalls die Kaimauer destabilisieren", sagt Prof. Thomas Rung vom TU-Institut für Fluiddynamik und Schiffstheorie.

Um den Effekt genauer zu erfassen, sind Computersimulationen nötig. Denn die Sandbewegungen sind kaum zu messen. Rung: "Lasertechnik versagt, weil das aufgewühlte Wasser zu trüb ist. Und Unterwasser-Sensorik würde von den immensen Kräften der Querstrahler zerstört. Oder aber sie müsste so robust gebaut werden, dass sie keine fein aufgelösten Daten mehr liefern kann."

Gängige Simulationen, etwa in der Klimaforschung, arbeiten mit einem Raster, das über das Untersuchungsgebiet gelegt wird. Auch über das Ablegemanöver ließe sich ein solches virtuelles Netz ausbreiten. Doch bei starken, komplexen räumlichen Verwerfungen wie die des strömenden Wassers an der Kaikante versagt dieses Verfahren - das Netz verstrickt sich, wird zu einem unübersichtlichen Knäuel. Zudem kann die Methode die Interaktion von so unterschiedlichen Materialien wie Sand, Wasser, Beton (Kaiwand) und Stahl (Schiff) kaum darstellen.

Hier liegen die Stärken von SPH. Die Materie, die bei den zu simulierenden Vorgängen eine Rolle spielt, wird in Partikel zerlegt. Einige von ihnen spiegeln als Repräsentanten des jeweiligen Materials dessen Verhalten wider. Beim Beispiel des Ablegemanövers werden also Wasser-, Sand-, Beton- und Stahlpartikel betrachtet. Dabei werden vom wild wirbelnden Wasser weit mehr Partikel einbezogen als von der starren Kai- oder Schiffswand. "Je nach benötigter Auflösung rechnen wir mit zehn bis 100 Millionen Wasserpartikeln plus 30 Prozent vornehmlich Bodenpartikeln sowie wenigen Repräsentanten von Schiffs- und Kaiwand", sagt Rung.

Aus den Daten der SPH-Simulationen machen die TU-Forscher kleine Filmsequenzen, die anschaulich zeigen, wie der Hafengrund beim Ablegen ausgehöhlt wird. Allerdings hat die Technik auch eine Schattenseite: Sie benötigt deutlich mehr Rechenleistung als konventionelle Simulationen, sogar mehr, als die TU zur Verfügung hat. "Wir haben Rechenleistung beim norddeutschen Hochleistungsrechnerverbund gebucht", sagt Rung.

Von morgen an schlüpft er in die Rolle des Kongresspräsidenten und wird in Harburg Kollegen aus ganz verschiedenen Fachrichtungen begrüßen. Rung: "Das Anwendungsspektrum reicht von mikroskopisch klein bis großskalig, von Urknall-Simulationen der Astronomen bis zu Fischbewegungen im Meer. Einigen Partikeln wurde sogar antrainiert, sich wie flüchtende Menschen zu verhalten."

Quelle: TUHH