Experten machen den Wandel in der Arbeitswelt hin zu vagen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen verantwortlich

Hamburg. Vor Kurzem verbreitete das Statistische Bundesamt eine gute Nachricht: Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche geht zurück. Im Jahr 2010 waren es in ganz Deutschland 300 Frauen weniger als 2009, als sich noch 110 400 Schwagere zu diesem Schritt entschlossen hatten. Gegen den allgemeinen Trend haben die Schwangerschaftsabbrüche in Hamburg jedoch sogar um fast 500 zugenommen - von 3838 im Jahr 2009 auf 4300 (2010).

Eine besondere Steigerung lässt sich in der Altersgruppe bis 25 Jahre feststellen. 2010 haben 1482 junge Frauen zwischen 18 und 25 Jahren ihre Schwangerschaft abgebrochen, 206 mehr als im Jahr zuvor. Experten in Hamburg sind ratlos angesichts dieser Entwicklung.

"Wir beobachten diesen Trend, können aber über die Gründe bis jetzt nur spekulieren", sagt Kerstin Falk, Geschäftsführerin des Pro-Familia-Landesverbands Hamburg. Die Beraterinnen erleben oft, dass es neben den persönlichen Gründen vor allem Unsicherheiten in der Ausbildung und der beruflichen Perspektive sind, die Frauen vor der Entscheidung für ein Kind zurückschrecken lassen. Der Wandel in der Arbeitswelt von festen Strukturen hin zu unsicheren Beschäftigungsverhältnissen mache vielen der betroffenen jungen Menschen Angst - und das betreffe nicht nur sozial schwache Frauen.

Auch Carmen Alexander, Sozialarbeiterin bei Pro Familia, sieht eine große Verunsicherung. "Angesichts einer sehr komplexen Lebenssituation fragen sich die jungen Frauen oft, wie sie ihr Leben sortieren sollen", berichtet Alexander. "Das Sicherheitsbedürfnis spielt eine viel größere Rolle als früher. Es soll erst ein bestimmter Standard geschaffen werden, bevor eine Familie gegründet werden kann." Fernsehserien könnten dabei den Druck oftmals noch erhöhen, kritisiert sie: "Da entstehen Ansprüche, wenn man sieht, wie da die Wohnungen eingerichtet sind."

Die finanzielle Unterstützung für junge Eltern hat sich verschlechtert

Mit den eigenen Mitteln könnten diese Ansprüche oft nicht befriedigt werden. Umso mehr, als sich die finanziellen Unterstützungen gerade junger Eltern, die vor der Geburt noch nicht erwerbstätig waren und die Arbeitslosengeld II beziehen, seit Anfang 2011 verschlechtert haben. Der Elterngeld-Mindestbetrag wird nun als Einkommen vollständig auf das Arbeitslosengeld II angerechnet. "Da erschrecken viele richtig", sagt Alexander.

In der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz verfolgt man die Entwicklung. "Schön sind diese Zahlen natürlich nicht," so Pressesprecher Rico Schmidt. "Wir beobachten das, können die Zahlen aber noch nicht erklären." Auch die Hoffnung, es könnten in den letzten zwei Jahren mehr junge Frauen in Hamburg gelebt haben oder die Geburtenraten seien gestiegen, zerschlagen sich bei genauerer Prüfung: Die Zahl junger Frauen nahm von 2008 auf 2009 nur geringfügig zu - bei gleichbleibenden Geburtenzahlen.