Ein 20 Tonnen schweres Spezial-Teleskop an Bord eines umgebauten Jumbos misst Infrarotstrahlung aus dem All - durch eine Luke am Heck

Palmdale. Troy Asher hat schon fast jeden Jet der amerikanischen Luftwaffe geflogen, doch der Jumbo, den er seit Kurzem steuert, ist selbst für den erfahrenen Testpiloten ein Novum. Am Heck befindet sich eine Luke, die so groß ist wie ein Scheunentor. Durch dieses Loch soll ein Infrarot-Teleskop unter anderem ermitteln, wie aus Gas- und Staubwolken im Weltraum Sterne und Sonnensysteme entstehen.

"Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie", kurz "Sofia", heißt die fliegende Sternwarte; sie ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-Raumfahrtbehörde Nasa und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). In der vergangenen Woche installierten deutsche Astronomen eine neue Spezialkamera an dem 20 Tonnen schweren Teleskop im Rumpf. Dann brachen sie zu ersten Flügen auf.

Es ist kurz nach dem Sonnenuntergang, als "Sofia" in Palmdale, Kalifornien abhebt und zügig an Höhe gewinnt. Noch ist die Luke für das Teleskop geschlossen, doch in 5000 Meter Höhe wendet sich Pilot Asher plötzlich um und sagt: "Das Tor ist offen." Unbemerkt von den Forschern ist die Öffnung im Rumpf aufgegangen, die die größte Herausforderung beim Umbau des Jumbos zu einem Forschungsflugzeug gewesen war.

Nachdem die Nasa und das DLR Mitte der 1990er das Projekt "Sofia" beschlossen hatten, fiel die Wahl auf eine Boeing 747SP, eine um 15 Meter verkürzte Version des normalen Jumbojets mit vergrößerter Reichweite. Ingenieure machten sich daran, ein vier mal sechs Meter großes Rolltor im Heck einzubauen. Was passieren kann, wenn man ein solches Tor öffnet, lässt sich schon im Auto erproben: Öffnet man bei schneller Fahrt ein Fenster, kann es zu einem heftigen rhythmischen Bullern kommen. Das Auto reagiert dann wie eine Orgelpfeife, die zum Schwingen gebracht wird.

In einem Jumbojet, der mit 900 Kilometern pro Stunde durch die Luft rast, können die heftigen Vibrationen den Rumpf binnen Minuten erheblich beschädigen oder gar zerstören. Viele Versuche im Windkanal und Computersimulationen führten schließlich zu dem größten Umbau, der jemals an einem zivilen Flugzeug vorgenommen wurde. Gleichzeitig stiegen die Kosten so stark an, dass sie mit rund einer Milliarde Dollar das veranschlagte Budget um das Dreifache überschritten. Nur dem Drängen der Astronomen und des DLR, das bereits 2002 das Teleskop abgeliefert hatte, ist es zu verdanken, dass "Sofia" doch noch fertig wurde.

Ab einer Höhe von 11,7 Klometern beginnen die Astronomen ihre Arbeit

Nun funktioniert das Forschungsflugzeug völlig problemlos. In 11,7 Kilometern Höhe beginnen die Astronomen Rolf Güsten vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie und Jürgen Stutzki von der Uni Köln mit ihren Beobachtungen. Unter ihrer Leitung war die Spezialkamera "Great" (German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies) entstanden. Sie sammelt die vom Teleskop kommende Infrarotstrahlung und zerlegt diese in ihre Spektralanteile. So lassen sich chemische Verbindungen nachweisen und deren Häufigkeiten bestimmen. "Great" blickt auf Wellenlängen um 200 Mikrometer - dieser Bereich eignet sich besonders gut, um Gas- und Staubwolken im Weltraum zu erforschen.

Vom Erdboden aus können Astronomen diese Signale aus fernen Galaxien nicht empfangen, "weil der Wasserdampf in der Atmosphäre die Infrarotstrahlung verschluckt", sagt Güsten. In 13 Kilometern Flughöhe lasse "Sofia" aber 99 Prozent allen Wasserdampfs unter sich, deshalb habe das Observatorium fast so gute Beobachtungsbedingungen wie ein Weltraumteleskop.

Die Planung eines Beobachtungsfluges ist eine komplizierte logistische Angelegenheit. Da das Teleskop nur zur linken Seite aus dem Rumpf herausschauen kann, muss das Flugzeug genau auf Kurs gebracht werden. Gleichzeitig wird die Route so gelegt, dass "Sofia" nach etwa zehn Stunden wieder in Palmdale landen kann. Vor dem Start muss deswegen ein exakter Plan vorliegen, nach dem sich der Pilot richtet.

Als erstes Probeobjekt peilen die Astronomen an diesem Tag einen hellen Himmelskörper an: Saturn. Die Aufnahmen gelingen auf Anhieb. "Sofia" biegt nach Norden ab, sodass die Wolke eines explodierten Sterns mit der Bezeichnung IC443 ins Blickfeld rückt. Astronomen wissen schon länger, dass dort vielfältige chemische Reaktionen ablaufen, in denen unter anderem Wassermoleküle entstehen. Geplant ist, in einem solchen Gebiet Kohlenmonoxid- (CO) und OH-Moleküle nachzuweisen, die in diesem chemischen Netzwerk entscheidend mitmischen. Die Beobachtung des CO-Gases gelingt, doch das Signal von OH ist zu schwach. Jetzt würden die Forscher gerne länger beobachten, aber Pilot Asher muss nach Osten abbiegen. Es folgen 71 Minuten für das Sternentstehungsgebiet Cepheus B. Hier wollen die Astronomen eine aufwendige Technik testen. Great kann nur jeweils an einer Position ein Strahlenspektrum messen. Jetzt soll die Kamera an 216 Punkten Cepheus B abrastern und eine Karte erstellen, welche die Verteilung von Kohlenstoff und Kohlenmonoxid zeigt. Dafür muss das Teleskop extrem stabil bleiben.

Stoßdämpfer halten Schwankungen des Flugzeugs von dem Teleskop fern

Dass das Vorhaben gelingt, ist ein Verdienst der Firmen MAN und Kayser Trede. "Sie haben das Teleskop wie eine waagerecht im Flugzeug liegende Hantel gebaut", sagt Dietmar Lilienthal vom DLR. Am einen Ende hängt der Sammelspiegel mit 2,70 Meter Durchmesser. Von ihm gelangt das Licht über zwei kleinere Spiegel in die Kamera, die das andere Hantelende darstellt. Die Mitte dieser Hantel liegt in einem Druckschott, das den vorderen Teil des Flugzeugs mit den Passagieren von dem hinteren, offenen Teil mit dem Teleskop trennt. Das Schott ist an den Außenwänden des Flugzeugs mit Stoßdämpfern befestigt, sodass sich Schwankungen nicht auf das Teleskop übertragen.

Kurz vor sechs Uhr landet Pilot Troy Asher. Bis 2014 werden Astronomen künftig an Bord neben "Great" noch sechs weitere Instrumente zur Verfügung stehen - wenn alles gut geht, für die nächsten 20 Jahre.