Internationales Mammutprojekt bestimmt 100 neue Arten. Ein Wettlauf gegen die Zeit

Frankfurt. Flechten sind überall. Wissenschaftler schätzen, dass es eine bis zehn Millionen Flechten- und Pilzarten auf der Erde gibt, vom Südpol bis in 7000 Meter Höhe, in Wüsten ebenso wie in Regenwäldern und in der Arktis. Doch bis jetzt sind erst etwa 100 000 davon bekannt. Jetzt hat sich die Zahl um 100 erhöht, denn eine internationale Forschergruppe hat in einem Mammutprojekt auf einmal 100 Flechtenarten in 37 Ländern taxonomisch bestimmt. Das heißt, sie sind nun wissenschaftlich genau beschrieben und damit dem Vergessen entrissen.

"Faktisch ist selbst diese Zahl nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Dr. Christian Printzen vom Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt/ Main, das neben dem Frankfurter Biodiversität und Klimaforschungs-Zentrum (BiK-F) an dem Projekt teilnahm. Die Situation der Erde und das rapide Artensterben lässt die Arbeit der Taxonomen zu einem Wettlauf gegen die Zeit werden. Die Auswirkungen des Klimawandels und die ständig wachsende Weltbevölkerung verändern die Ökosysteme in rasantem Tempo.

Die Neulinge wurden in Steckbriefen genau gekennzeichnet

Das Field Museum in Chicago hat die 100 neu entdeckten Flechtenarten in einer 128-seitigen Publikation gewürdigt. Eine einzigartige Vielfalt tut sich auf: glatte, raue und krustige Arten, runde, faden- oder strahlenförmige Flechtenkörper in Weiß, Grau-Braun, gelblich oder rot-violett. Dazu eine Karte, die zeigt, wo die oberflächlich betrachtet unscheinbaren Organismen - eine Symbiose aus Pilzen und Algen - auf der Erde zu finden sind.

Imke Schmitt vom BiK-F war an der Beschreibung der Flechte Lecanora mugambii beteiligt, die in den Nebelwäldern Kenias in 2500 Meter Höhe wächst. Zum Steckbrief der neuen Art gehören die Vermessung bis in den Mikrometerbereich, chemische Analysen und genaue Angaben zum Wuchsort. "Eine gute Artenkenntnis und ein Verständnis dafür, welche Funktion die Spezies in ihrem Lebensraum hat, ist die Grundlage für Arten- und Naturschutz", sagt sie.