Forscher diskutieren die Folgen des Klimawandels. Sind Deutschlands Strände in Gefahr? Auch das Mittelmeer gehört zu den Verlierern.

Hamburg. Skifahren im Grünen, Küstenurlaub ohne Strand? Der Klimawandel wird zunehmend den Fremdenverkehr beeinflussen, warnen Experten - und sehen dafür bereits heute Anzeichen. So ist der Tourismus auch ein Schwerpunktthema des viertägigen Extremwetterkongresses, der morgen im Hauptgebäude der Hamburger Universität beginnt.

Kaum ein anderer Wirtschaftszweig ist so abhängig vom Wetter wie der Tourismus. Besonders betroffen vom Wandel sind Berg- und Küstenregionen. Zusammen mit Klimaexperten der Universität Freiburg haben Tourismusforscher der Leuphana-Universität Lüneburg die möglichen Klimafolgen für die Urlaubsregionen Nordsee und Schwarzwald untersucht.

Das Ergebnis: Beide Gebiete müssen sowohl mit positiven als auch mit negativen Effekten rechnen, die es rechtzeitig einzuplanen gilt. So könnten steigende Temperaturen dazu führen, dass sich die Tourismus-Hauptsaison verlängert und Nord- und Ostsee früher Badetemperaturen erreichen. Zur Kehrseite zählen erhöhter Hitzestress, steigende Waldbrandgefahr, vermehrter Pollenflug.

"An der Ostsee ist damit zu rechnen, dass die Algen stärker wachsen", sagt Prof. Edgar Kreilkamp, Tourismuswissenschaftler an der Leuphana-Universität. "Und in der Nordsee könnten sich die Quallen stärker vermehren."Schlimmer noch als belebtes Badewasser wiegt jedoch die Tatsache, dass die Strände in Gefahr sind. Der steigende Meeresspiegel und Sturmfluten werden verstärkt Sand abtragen, prophezeien Küstenschützer. Kreilkamp: "Einige Deichbauer arbeiten bereits mit Modellen ohne Strand. Das wäre schlecht für den Tourismus, zumal sich viele Urlaubsorte an Küsten über den Strand definieren."

Das gilt nicht nur für Urlaubsziele in Deutschland, sondern gerade auch für den Mittelmeertourismus. Er wird mit großer Wahrscheinlichkeit zu den Verlierern des Wandels zählen. Denn Temperaturen bis 45 Grad und Wassermangel werden die großen Touristenströme aus dem Norden abebben lassen, so Kreilkamp. "Zunächst werden die Touristen reagieren. Später werden womöglich auch die Einheimischen im Sommer kühlere Gefilde aufsuchen."

Ein Trend Richtung Norden lasse sich schon heute am Urlaubsverhalten der Schweizer ablesen, so der Tourismusexperte: "Sie können sich entweder Richtung Italien orientieren oder nach Norden. Es gibt Anzeichen, dass sie stärker nach Norden tendieren. In den Regionen Darß, Rügen, Usedom haben Schweizer den größten Zuwachs unter ausländischen Gästen. Usedom hat gerade eine direkte Flugverbindung in die Schweiz aufgenommen." Das Beispiel zeigt: Gerade die deutsche Ostseeküste könnte vom Temperaturanstieg unterm Strich profitieren, wenn die Anbieter ihn als Chance erkennen und diese zu ergreifen wissen.

Harald Zeiss, Nachhaltigkeitsmanager beim Touristikkonzern TUI, appelliert an die Branche, "neue Produkte zu entwickeln, statt morgen Krisen zu managen". Er wird am Donnerstag einen Vortrag auf dem Extremwetterkongress halten, in dem er die Herausforderungen des internationalen Tourismus beschreibt: "Früher waren eine strahlende Sonne für die Strandurlauber oder tiefer, weißer Schnee für die Skifahrer ein selbstverständlicher Teil der touristischen Leistung. Aber die vormalige Beständigkeit von Sonne und Schnee hat ein Ende gefunden." Heutige Wetterbedingungen seien deutlich schlechter vorhersagbar; Skifahrer müssten im Dezember mit grünen Hügeln rechnen, Strandurlauber auch schon einmal mit Sturm und Regen am Meer. Wie sehr Klimafolgen den Tourismus beeinflussen werden, darüber sei bislang relativ wenig geforscht worden, so Kreilkamp: "Erste Projekte betrachteten den Einfluss von veränderten Temperaturen und Niederschlägen. Wir arbeiten jetzt daran, auch indirekte Wirkungen einzubeziehen, etwa ein sich wandelndes Landschaftsbild oder einen veränderten Wasserhaushalt."

In Deutschland gebe es, so Kreilkamp, einen Trend zum Naturtourismus, den es zu fördern gelte. Er könne davon profitieren, dass die Forstwirtschaft (nicht zuletzt als Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel) verstärkt auf Mischwälder setze - in ihnen lasse es sich viel besser wandern als im dunklen Tann. Dagegen seien Liebhaber von Feld und Flur zunehmend mit monotonen Maisäckern konfrontiert.

Kreilkamp kritisiert die gleichgültige Haltung vieler Anbieter im Fremdenverkehr: "Sie denken nicht mehr als zwei, drei Jahre voraus, sagen sich: 'Noch passiert ja nichts, also warten wir ab.' Beispiel Harz: Er wird auf Dauer seine Schneewinter verlieren. Dennoch halten die Touristikbetriebe, wie auch im Schwarzwald, unbeirrt am Wintersport fest." Schneekanonen könnten allerhöchstens kurzfristig Abhilfe schaffen, warnt der Lüneburger Wissenschaftler: "Eine weiße Piste in grüner Landschaft ist langfristig nicht sehr attraktiv."