Meeresforscher aus Kiel untersuchen einen Tiefsalzsee im Roten Meer. Das Randmeer öffnet sich immer mehr - wie der Atlantik vor Millionen Jahren.

Kiel. Das Rote Meer ist nicht nur ein Eldorado für Taucher. Seine besondere Lage zwischen Afrika und Asien und seine enge Verbindung zu den Weltmeeren macht es für Meeresforscher zu einer weltweit einzigartigen Region. Im Rahmen einer auf neun Jahre angelegten Kooperation des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-Geomar) in Kiel mit der King Abdulaziz University im saudi-arabischen Jeddah war das Forschungsschiff "Poseidon" von Januar bis Mitte März 2011 im Roten Meer unterwegs. Vier Arbeitsgruppen lieferten erste Ergebnisse, die jetzt ausgewertet werden.

"Wir können im Roten Meer die Geburt eines neuen Ozeans beobachten", sagt Projektleiter Dr. Warner Brückmann. "Es herrschen die gleichen Bedingungen wie vor vielen Millionen Jahren im sich öffnenden Atlantik." Damals brachen die Kontinente Afrika und Amerika auseinander, jetzt reißt der bis zu zwei Kilometer tiefe, 360 Kilometer breite und knapp 2300 Kilometer lange Graben zwischen Afrika und Vorderasien auf - mit einer Geschwindigkeit von zwei Zentimetern pro Jahr. Die Öffnung von dem jetzigen Randmeer hin zu einem Ozean dauert also noch viele Millionen Jahre. Brückmann: "Die Entstehungsgeschichte des Atlantiks könnte man zwar auch an seinen Rändern nachvollziehen, aber da sind mittlerweile dicke Sedimentschichten abgelagert. Am Roten Meer sehen wir die Grabenachse ganz direkt."

Mit dem neuen, weltweit modernsten Fächerecholot der "Poseidon" konnten die Forscher die ersten präzisen, hochauflösenden Karten des sogenannten Hatiba-Tiefs erstellen, einem Bereich auf der zentralen Grabenachse in 2000 Meter Tiefe. "Wie es jetzt aussieht, gab es im Hatiba-Tief in geologisch jüngster Zeit Vulkanaktivitäten. Wir können dort die Spreizung des Roten Meeres in einer aktiven Phase beobachten", berichtet der Meeresgeologe Dr. Nico Augustin.

Etwas weiter südlich liegt Atlantis II, ein Tiefseegebiet mit erstaunlichen Eigenschaften. Dort hat sich in der Grabenachse ein extrem salzhaltiger, 68 Grad heißer See gebildet. Die hohe Temperatur kommt von der Magma, die durch die aufreißende Erdkruste hochquillt. "Eine 200 Meter dicke Salzwasserschicht liegt in einem Gebiet von 60 Quadratkilometern auf einer Tonschicht, in der sehr viele Metalle gelöst sind", sagt Brückmann. "Es ist die größte bekannte sedimentäre Lagerstätte für Metalle im Meer."

Noch nie zuvor war es gelungen, in dieses unwirtliche Gebiet zu gelangen. Die Tiefseeexpedition in den salzigen und heißen Meeresgraben war also ein erster Vorstoß. Da Kameras und andere Untersuchungsgeräte in der heißen Salzlösung sehr schnell korrodieren, waren intensive Vorbereitungen nötig, um die Geräte zu schützen. Die Forscher hatten eine extrem schnell messende Mikrostruktur-Sonde entwickelt, um die Austauschprozesse zwischen der Salzlösung und dem Tiefenwasser des Roten Meeres untersuchen zu können. Mit einer Videokamera konnten sogar unter der dicken Salzschicht Aufnahmen des Meeresbodens gemacht werden.

Das Rote Meer ist auch berühmt für seine prächtigen Korallenriffe. "Wir haben hier sehr unterschiedliche Bedingungen vorgefunden. Es gab Riffe in einem sehr natürlichen Zustand, andere waren deutlich durch menschliche oder natürliche Einflüsse geschädigt", fasst Prof. Manfred Wahl, Leiter der Landexpedition, die Ergebnisse zusammen. Im Süden sind sie unter anderem bedroht durch Verunreinigungen aus Shrimps-Farmen, die sich über 70 Kilometer an der Küste entlangziehen und durch Überdüngung die Korallen schädigen.

"Eine systematische Bestandsaufnahme der Korallenriffe im östlichen Roten Meer ist wichtig, um Risiken für die Ökosysteme erkennen und eventuell eindämmen zu können", so Wahl. In den kommenden zwei Jahren haben sich die Korallenforscher viel vorgenommen: Es sollen vier vertiefende Expeditionen durchgeführt werden, um die Reaktionen der Riffe auf menschliche und natürliche Stressfaktoren zu erforschen.

In der zweiten Jahreshälfte wollen die Forscher von Geomar wieder im Roten Meer sein. Dann geht es weiter: mit einem autonomen Unterwasserfahrzeug, das den Meeresboden von Atlantis II hochauflösend kartieren soll.