In den Schrottbergen, die der Tsunami in Japan hinterlassen hat, stecken wertvolle Rohstoffe

Hamburg. Erst aus dem Weltraum wird das ganze Ausmaß der Katastrophe sichtbar: Stellenweise vier bis fünf Kilometer war der Tsunami an der Nordostküste Japans in Landesinnere eingedrungen, wie Satellitenaufnahmen zeigen, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt veröffentlicht hat. Allein in den Distrikten nahe der Großstadt Sendai sind mehr als 240 Quadratkilometer Fläche betroffen; die Wassermassen rissen ganze Stadtviertel, Schiffe und Autos mit sich.

Inmitten dieser Wüste aus Schutt und Schlamm beginnen nun die Aufräumarbeiten. Doch wohin mit den Abertausend Tonnen Schrott, was tun mit Holzsplittern, Kühlschränken, Batterien und Altöl? Im Vergleich zu anderen Industrienationen ist Japan besonders dicht besiedelt, es verfügt deshalb über vergleichsweise wenige Deponien, vernichtet einen erheblichen Teil seines Abfalls in fast 2000 Müllverbrennungsanlagen. Seit einigen Jahren setzt das Land aber stärker auf Recycling.

Die Hinterlassenschaften des Tsunamis stellen Japan nun vor besondere Herausforderungen: Einerseits wird es wohl nicht möglich sein, die gewaltigen Mengen Schrott kurzfristig sämtlich auf vorhandenen Deponien zu lagern. Andererseits mache es jetzt keinen Sinn, möglichst schnell möglichst viel Müll in Verbrennungsanlagen zu vernichten, sagt Prof. Klaus Wiemer, Präsident des Hessischen Forschungsverbundes für Abfall, Umwelt und Ressourcenschutz. "Der Tsunami hat enorme Ressourcen vernichtet. In dem scheinbar wertlosen Abfall befinden sich Metalle wie Gold, Silber, Aluminium, Kupfer oder Seltene Erden, außerdem diverse Kunststoffe, etwa PVC. Und wir sehen auf den Bildern von der Zerstörung tonnenweise Biomasse, etwa Holzbretter. Diese Wertstoffe müssen nun wieder beschafft werden", sagt Wiemer.

Deshalb mache es Sinn, bei der Beseitigung des Mülls von Anfang an wiederverwertbare Stoffe separat zu sammeln. Stark vermischten Abfall könne man zunächst schreddern, in Ballen verpacken und erst später auf wieder verwertbare Anteile untersuchen.

Pragmatisches Sortieren - mitten im Chaos? Es sei absolut verständlich, dass bei den Aufräumarbeiten zunächst die Suche nach Opfern im Vordergrund stehe, sagt Wiemer. Dennoch gelte es hier, von Anfang an auch auf die materiellen Verluste schauen, weil sich diese durch Recycling reduzieren ließen.

Gegen die massenhafte Verbrennung des Mülls ohne vorherige Analyse der Anteile spreche auch, dass dadurch Schadstoffe in die Umwelt gelangen könnten. Die Holzbretter etwa, aus denen offenbar viele der zerstörten Häuser an der Nordostküste gebaut waren, könnten chemisch behandelt gewesen sein; man könnte sie zwar verbrennen und die dabei frei werdende Energie nutzen, aber nur in Verbrennungsanlagen mit speziellen Filtern, sagt Klaus Wiemer.

Dass der Tsunami stellenweise verschiedenste Materialien miteinander vermengt hat, aus Häusern ebenso wie aus Fabriken, dürfte die Aufräum- und Sortierarbeiten viele Monate, womöglich auch Jahre dauern lassen. "Die Arbeiter werden sehr genau hinschauen müssen, um Schadstoffe zu erkennen und unbelastetes Material von belastetem Material zu trennen", sagt Bernt Matthes, der bei der Hamburger Umweltbehörde für Bau- und Abbruchabfälle zuständig ist. "Normalerweise sucht man vor dem Abbruch eines Gebäudes nach problematischen Stoffen, hier ist dieser sogenannte geordnete Rückbau natürlich nicht möglich." Dennoch lohne die Mühe des Sortierens.

Auch wenn der Schwerpunkt auf Recycling liegen sollte, werden die Japaner wahrscheinlich trotzdem nicht um den Bau zusätzlicher Deponien herumkommen, zumal dann, wenn der Tsunami auch Müllverbrennungsanlagen zerstört habe, sagt Prof. Klaus Wiemer. Die vom Tsunami betroffenen Regionen seien für Deponien aber eher ungeeignet, weil die Böden dort von feinen Ritzen durchzogen seien, durch die Stoffe aus dem Müll ins Grundwasser gelangen könnten. Aber auch mit Blick auf weitere Tsunamis mache es keinen Sinn, in der Region Müll anzuhäufen, sagt Wiemer.

Für eine Deponie muss der Boden sehr undurchlässig sein; besonders geeignet sind Böden, die viel Ton enthalten. Diese Voraussetzungen sind aber offenbar nur weit entfernt von den betroffenen Gebieten in Japan gegeben. Bis das Recycling anläuft, werden die Japaner deshalb wohl zumindest einen Teil der Tsunami-Hinterlassenschaft im Land verteilen müssen.