“Wir leben in einer Epoche, in der jeder ein Forscher sein kann“, wirbt die Nasa und fordert Nutzer auf, sich an ihrem Projekt zu beteiligen.
Erst vernetzten Forscher über das Internet Tausende Computer von Freiwilligen, um durch die geballte Rechnerkraft Mammutaufgaben erledigen zu lassen. Inzwischen nutzen sie auch die Hirne der Computerbesitzer selbst. Der Grund: Trotz immer leistungsfähigerer Technik kann der Mensch viele Aufgaben besser erledigen als jeder Rechner - etwa die Auswertung von Fotos. Das hat auch die Nasa erkannt. Sie bittet jetzt Freiwillige, sich an ihrem Projekt "Be a Martian" ("Sei ein Marsianer") zu beteiligen. Auf der dazu ins Netz gestellten Website werden Internet-Nutzer in einem Raumschiff vor dem Roten Planeten empfangen. Ihre Aufgabe: Sie sollen auf Fotos unter anderem Marskrater zählen und näher bestimmen. Ziel der Nasa: bessere Karten des Planeten.
Die US-Weltraumbehörde brauche diese "Armee von Beobachtern", um die umfangreichen Daten ihrer Sonden und Roboter auswerten zu können, sagt Michelle Viotti vom Jet Propulsion Laboratory der Nasa. Das Konzept hat Erfolg. Schon in den ersten beiden Wochen riefen Tausende Nutzer 2,3 Millionen Mal Fotos zur Klassifizierung ab. Dass sich Menschen in ihrer Freizeit für solch eintönige Aufgaben einspannen lassen, liegt wohl an dem Gefühl, an etwas Größerem teilzuhaben. "Wir leben in einer Epoche, in der jeder Forscher sein kann", wirbt die Nasa. Mit der Auswertung über das Internet werde die Mars-Forschung ein Unternehmen, an dem die ganze Menschheit mitarbeiten könne.
Das Konzept der Vernetzung über das Internet gibt es seit den 90er-Jahren. Damals hatten es die Forscher noch auf die Computerkraft abgesehen. So fahndet Seti@home in Signalen aus dem All nach Hinweisen auf außerirdisches Leben. Die Internauten geben dabei nur ihr Einverständnis, dass ihr Computer über das Netz zur Auswertung der Signale benutzt werden kann. Ein ähnliches Projekt, bei dem Hunderttausende Rechner zu einer Art Supercomputer zusammengeschaltet werden, ist Einstein@home, das Gravitationswellen aufspüren soll oder Proteinstrukturen berechnet.
Ein erstes Großvorhaben mit menschlichen Gehirnen startete im Juli 2007 mit Galaxy Zoo. Die Helfer mussten dabei auf Fotos entscheiden, ob eine Galaxie oval ist oder eine Spiralform hat. Im zweiten Fall sollen sie auch angeben, ob sie sich mit oder gegen den Uhrzeigersinn dreht. "24 Stunden nach dem Start hat die Website 70 000 Klassifizierungen pro Stunde verzeichnet", erklären die Verantwortlichen von Galaxy Zoo. Seitdem hat Galaxy Zoo 100 Millionen Einordnungen erhalten, wie Jordan Raddick von der Johns Hopkins University sagt. Mehr als 200 000 Hobby-Forscher aus 170 Ländern hätten sich beteiligt.
Die Richtigkeit der Angaben wird überprüft, indem mehrere Antworten zum selben Objekt miteinander verglichen werden. Wenn sich Dutzende, Hunderte oder gar Tausende Helfer einig sind, dürfte die Galaxie richtig klassifiziert sein, so das Kalkül. Die Assistenten sollen jetzt die Form der Galaxien genauer bestimmen: Ob sie zigarrenförmig sind oder in der Mitte eine Auswölbung haben. Doch viele Helfer begnügen sich nicht damit. Sie machen die Forscher auch auf merkwürdige Objekte aufmerksam, etwa Galaxien, die wie "grüne Erbsen" aussehen.
Die Projekte im Internet:
beamartian.jpl.nasa.gov
www.galaxyzoo.org
setiathome.berkeley.edu
www.einsteinathome.org
(AFP)