Die so bedeutenden leuchtend gelben Farben des Malers werden über die Zeit vielfach braun. Desy-Forscher untersuchen jetzt die Ursache.

Hamburg. Schon wieder tummelt sich das Deutsche Elektronen-Synchrotron (Desy) in der Kunstszene. Nachdem Wissenschaftler von Desy vor drei Jahren an der Entdeckung eines verborgenen Bildes unter einem Van-Gogh-Gemälde beteiligt waren, geht es jetzt um das typische, leuchtende Gelb, ohne das die Werke des niederländischen Meisters gar nicht denkbar wären. Einige der berühmten Gemälde verlieren nach und nach ihre Leuchtkraft; das einst strahlende Gelb wird bräunlich. Für eine internationale Forschergruppe unter der Leitung der Universität Antwerpen (Belgien) haben Wissenschaftler der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle (ESRF) in Grenoble (Frankreich) zusammen mit Desy-Kollegen Untersuchungen durchgeführt, um den Geheimnissen der Farbumwandlung auf die Spur zu kommen. Sie haben entdeckt, dass komplexe chemische Reaktionen für die nachlassende Strahlkraft verantwortlich sind.

Vor mehr als 100 Jahren sind die berühmten Gemälde wie die "Sonnenblumen" entstanden; doch so, wie van Gogh sie gemalt hat, können wir sie heute in vielen Fällen nicht mehr betrachten. Er benutzte eine Farbe, die damals als sehr fortschrittlich galt, weil sie seit 1818 industriell gefertigt wurde: das Pigment Chromgelb. Chemisch handelt es sich dabei um Bleichromat, eine giftige Verbindung, die seit den 1950er-Jahren in Europa nicht mehr verwendet wird.

Schon lange weiß man, dass Chromgelb nachdunkeln kann, doch nicht alle Gemälde tun dies, und nicht alle dunkeln mit der gleichen Geschwindigkeit. Die Mechanismen zu kennen ist jedoch wichtig, denn erst, wenn man weiß, was zur Farbveränderung führt, lassen sich konservierende Gegenmaßnahmen ergreifen und so - vielleicht - die wertwollen Gemälde in ihrer Leuchtkraft erhalten oder sogar wiederherstellen.

Um den Geheimnissen der gelben Farbe auf die Spur zu kommen, haben die Wissenschaftler eine beeindruckende Vielfalt von analytischen Verfahren angewandt. Der erste Schritt war, alte Farbproben aus der Zeit van Goghs zu untersuchen. Eine sonnengelbe Farbe aus dem Nachlass des flämischen Malers Rik Wouters (1882-1916) wurde nach einer künstlichen Alterung von 500 Stunden unter UV-Licht innerhalb von drei Wochen schokoladenbraun, was die Wissenschaftler auf das UV-Licht zurückführten.

In einem zweiten Schritt wurden nun die nachgedunkelten Stellen in den Van-Gogh-Gemälden "Blick auf Arles mit Schwertlilien" (1888) und "Seineufer" (1897) untersucht. Die Forscher entnahmen mikrofeine Proben und unterzogen sie einer Synchrotron-Röntgenstrahlung. Diese Strahlung hat zwei Besonderheiten und damit zwei Anwendungsbereiche. "Zum einen produziert der Teilchenbeschleuniger ein sehr helles Röntgenlicht mit einem sehr breiten Spektrum, zum anderen lassen sich die Strahlen extrem bündeln", erklärt Dr. Thomas Zoufal, Sprecher von Desy. "Mit diesen gebündelten Strahlen von zwei Zehntausendstel Millimeter Durchmesser kann man Schichten von einigen Nano- bis Mikrometern Dicke unterscheiden. Wir konnten dadurch erkennen, dass die nachgedunkelten Schichten extrem dünn sind. Darunter befindet sich noch die Originalfarbe."

Weitere Erkenntnisse verdanken die Forscher der Fähigkeit der Synchrotron-Röntgenstrahlung, Fluoreszenz auszulösen. Das bedeutet, dass die Probe spontan Licht abstrahlt, und zwar leuchtet jedes Element mit einer ihm eigenen Wellenlänge. So konnte das Geheimnis der dunklen Farbe gelüftet werden: In der dünnen, nur ein Tausendstel Millimeter dicken Schicht zwischen Farbe und Firnis wandelt sich, sehr wahrscheinlich begünstigt durch UV-Licht, Chrom von der sechswertigen Cr(VI)- in die dreiwertige Cr(III)-Form um.

ESRF-Sprecher Dr. Claus Habfast weist noch auf einen weiteren Aspekt hin, der nun in weiteren Untersuchungen erforscht werden soll: Van Gogh hatte die Eigenart, sein Gelb mit weißer Farbe aufzuhellen. Er benutzte dazu barium- und schwefelhaltige Pigmente, die, wie sich herausstellen könnte, auch zur Braunfärbung beitragen. Denn nur in der Umgebung von Barium und Schwefel ist die Verdunkelung nachzuweisen. "Das erklärt möglicherweise, warum nicht alle Gemälde, in denen Chromgelb verarbeitet wurde, nachbräunen", so Habfast.

Doch nicht nur Chromgelb ist ein Problempigment, das zu Farbveränderungen führen kann. In Hamburg lässt sich zurzeit ein berühmtes Gemälde besichtigen, bei dem auch farbliche Veränderungen stattgefunden haben - und das dadurch eine andere Stimmung bekommt als vom Künstler vorgesehen. Die Rede ist von den "Hülsenbeckschen Kindern" von Philipp Otto Runge.

Bei dem Gemälde, 1805/1806 entstanden, liegt das Blau des Himmels nicht mehr in seiner ursprünglichen Farbe vor. Runge hat Berlinerblau verwendet, ein zu seiner Zeit weit verbreitetes Pigment, das nach individuellen Rezepten aus vielerlei Zutaten hergestellt wurde. Schon um 1800 wurde die Unbeständigkeit gegenüber Licht erkannt und heute sind die Resultate zu sehen: Der ursprüngliche Blauton ist nur noch am Rande des Bildes vorhanden, dort, wo ein Rahmen als Lichtschutz fungierte. Der Rest ist durch das blasse Blau und die rote Lasur darüber in ein Rosa getaucht - sicherlich nicht die Intention des Malers.

Forscher hoffen, durch die neuen Erkenntnisse jetzt geeignete Restaurationsmethoden für alte, berühmte Werke entwickeln zu können.