Eine Milliarde Teenager ohne Bildung und Perspektive. Hohe Sterblichkeit junger Mütter

Köln/New York. Kriege, Wirtschaftskrise, Klimawandel und Armut: Das sind die Faktoren, die heutige Jugendliche weltweit besonders hart treffen. Darauf weist Unicef in seinem Jahresbericht "Zur Situation der Kinder in der Welt 2011" hin. Derzeit wächst mit 1,2 Milliarden Mädchen und Jungen zwischen zehn und 19 Jahren (nach Uno-Definition Jugendliche) eine riesige Jugendgeneration heran, die bereits 18 Prozent der Weltbevölkerung ausmacht. Von den Regierungen und Entwicklungshilfeprogrammen würden diese Jugendlichen aber kaum in den Blick genommen.

Der größte Teil dieser Generation - 88 Prozent - wächst in Entwicklungsländern auf, in Südasien 335 Millionen, in Ostasien und dem Pazifischen Raum 329 Millionen und Lateinamerika/Karibik 108 Millionen. Auch im Nahen Osten und Nordafrika stellen Jugendliche mit 84 Millionen, in West- und Zentralafrika mit 94 Millionen einen Großteil der Bevölkerung. Während der Anteil der Teenager in den Industrieländern seit 1960 fast gleich geblieben ist, stieg er im selben Zeitraum in den Entwicklungsländern steil an und wird nach den Prognosen erst um 2030 wieder abflachen.

Gerade die Weltwirtschaftskrise und die zahlreichen regionalen Konflikte bürden Jugendlichen Probleme wie schlechte Bildung, Arbeitslosigkeit und mangelnde Perspektiven auf. Während Unicef im vergangenen Jahrzehnt in vielen Teilen der Erde Fortschritte bei der Bekämpfung der Kindersterblichkeit verzeichnen konnte, ist die Lage der nun Heranwachsenden desolat - und wird sich in diesem Jahr laut Unicef noch verschärfen. In Brasilien beispielsweise sterben heute mehr Jugendliche durch Gewalt als Kinder unter fünf Jahren durch Krankheiten und Unterernährung. Weltweit ist der Besuch von Sekundarschulen um ein Drittel geringer als der von Grundschulen. Ein Drittel aller Neuinfektionen mit HIV betrifft junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren.

In allen Regionen der Welt - Industrieländer inbegriffen - übersteigt die Zahl der Jungen die der Mädchen. Ein Grund für das Ungleichgewicht sind die erheblichen gesundheitsschädlichen Folgen zu früher Schwangerschaften bei jungen Mädchen. Lateinamerika, die Karibik und ostafrikanische Länder sind besonders betroffen. Eine Studie zeigte für Lateinamerika, dass die Müttersterblichkeit bei Mädchen unter 16 Jahren drei- bis viermal höher ist als bei 20-Jährigen.

Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass 14 Prozent aller "wilden" Abtreibungen bei Jugendlichen vorgenommen werden. Mädchen sind generell stärker benachteiligt als Jungen, schlechter ernährt, bekommen weniger medizinische Versorgung und werden häufig vor dem 18. Geburtstag verheiratet. In Entwicklungsländern (ohne China) betrifft das ein Drittel aller weiblichen Teenager. In Afrika hat jede vierte der 20- bis 24-jährigen Frauen ihr erstes Kind vor ihrem 18. Lebensjahr bekommen.

81 Millionen Jugendliche sind arbeitslos, vor allem auch in Nordafrika, wo viele Heranwachsende eine vergleichsweise gute Ausbildung haben. Für 71 Millionen Mädchen und Jungen weltweit ist schon nach der Grundschule Schluss mit Bildung. Mehr als eine Million Minderjährige sitzen in Gefängnissen. Jugendliche sind Unicef zufolge besonders von Menschenhandel bedroht. In Kriegsgebieten laufen sie Gefahr, als Soldaten oder als Sex- oder Arbeitssklaven missbraucht zu werden. Gewalt und Ausbeutung treffe vor allem Heranwachsende aus armen Familien. Mangelnder Schutz führt laut Bericht der Uno-Organisation zu 400 000 jugendlichen Unfalltoten pro Jahr, zu Drogenmissbrauch und weit verbreiteten psychischen Problemen.

Der Bericht geht auch auf die Bedeutung der neuen Medien für die heutige Generation der Jugendlichen ein. "Obwohl wir für die Generationen der ab 1980 Geborenen den Begriff 'digital natives' (etwa: Compter-Kids) benutzen, fallen nicht alle von ihnen unter diese Kategorie", so eine Expertise des Berkman Center for Internet & Society der Harvard University.

Die Bedeutung der digitalen Technologien liegt nach Ansicht der Wissenschaftler nicht nur in sozialen Netzwerken, in digitalen "Versammlungen" und der freien Meinungsäußerung, wie sich in den jüngsten Aufständen im Nahen Osten gezeigt hat. Diese Technologien seien auch entscheidend für Fortbildung und Kommunikation. Aber die Netze ließen zu viele junge Menschen außen vor. Nur etwa ein Viertel der 6,8 Milliarden Menschen auf der Welt habe Zugang zum Internet, immerhin 86 Prozent seien Mobilfunkteilnehmer. Deshalb überlegten einige Entwicklungshilfe- und Bildungsträger, wie man Kursinhalte auch per SMS verbreiten könne, sagt Ninja Charbonneau von Unicef Deutschland.

Die Jugend sei bisher nicht genug beachtet worden, obwohl ohne sie kein Wandel und kein Ausbruch aus Armut und Ungleichheit möglich sei, kritisierte Unicef. Die Unzufriedenheit der Jugend, die sich aktuell etwa in Tunesien oder Ägypten zeige, müsse von Regierungen und Entwicklungsprogrammen viel ernster genommen werden.