Anhand der Stimmlage machen sich Hunde nicht nur ein Bild von der Laune, sondern auch von der Größe ihres potenziellen Gegners.

Wien. Ein gefährliches Grollen aus tiefster Kehle und die Aussage ist klar: "Nimm dich bloß in Acht!" Auch Menschen haben normalerweise keine Schwierigkeiten, die Botschaft eines knurrenden Hundes zu verstehen. Für die Ohren von Artgenossen allerdings scheinen die akustischen Drohgebärden nicht nur Informationen über die Laune, sondern auch über die Größe ihres Gegenübers zu enthalten. Anhand des Knurrens können sich die Tiere ein recht genaues Bild von der Statur eines möglichen Gegners machen, berichten die Kognitionswissenschaftlerin Friederike Range und ihre Kollegen von den Universitäten in Wien und Budapest im Fachjournal "Plos One".

Bevor sie sich auf einen Kampf einlassen, versuchen viele Tiere erst einmal, die Kräfte ihres Kontrahenten einzuschätzen. Vielleicht ist es ja doch besser, sich aus dem Staub zu machen, statt in einer aussichtslosen Rauferei Leib und Leben zu riskieren? Für diese Entscheidung kann neben dem Aussehen auch die Stimme des Widersachers wichtige Hinweise liefern. Daran lässt sich schon aus einiger Entfernung erkennen, mit wem man es zu tun hat. Denn wie genau ein Rufen oder Röhren, Brüllen oder Knurren klingt, hängt auch von anatomischen Unterschieden im sogenannten Vokaltrakt ab.

Dieser besteht aus Luftröhre, Mund- und Nasenhöhle und wirkt wie eine Art Filter, der bestimmte Frequenzbereiche verstärkt und andere abschwächt. Die Bereiche mit der größten Verstärkung (Formanten), beeinflussen entscheidend die Klangfarbe der Stimme. Bei welchen Frequenzen diese Formanten liegen, hängt von der Länge des Vokaltraktes und damit von der Körpergröße ab. Bei einem knurrenden großen Hund sind die Formanten also anders verteilt als bei einem kleinen.

Schon länger gibt es Hinweise darauf, dass die Tiere aus diesen Unterschieden ihre Schlüsse ziehen. So hatten britische Biologen von der Universität Sussex Hunden in deren Zuhause Knurren vom Band vorgespielt. Die Laute waren so manipuliert, dass die Formanten mal auf einen größeren, mal auf einen kleineren Urheber hinzuweisen schienen. Das ging ins Ohr: Wenn die Probanden das typische Knurren eines kleineren Artgenossen hörten, machten sie sich meist gleich auf die Suche nach dem unverschämten Eindringling. Hielten sie den Fremden dagegen für größer als sich selbst, reagierten sie eher zurückhaltend.

Friederike Range und ihre Kollegen wollten nun genauer wissen, was dabei im Kopf der Tiere vor sich geht. Können Hunde akustische Informationen in Bilder umsetzen? Sehen sie also den Gegner vor ihrem geistigen Auge, wenn sie ihn knurren hören? Um das herauszufinden, wurden Hunde mit einem Knurren vom Band und zwei Bildern von Artgenossen konfrontiert. Das eine Foto zeigte ein Tier, dessen Größe zur Stimme passte. Auf dem anderen war der gleiche Hund zu sehen, allerdings um 30 Prozent vergrößert oder verkleinert. Davon ließen sich die meisten vierbeinigen Versuchsteilnehmer nicht irritieren. Sie schauten deutlich schneller und länger auf das Bild mit dem richtig dimensionierten Artgenossen.

Aus Versuchen mit Affen und Kleinkindern weiß man, dass diese lieber Bilder anschauen, die zu einer gleichzeitig gehörten akustischen Botschaft passen, also solche, die das nicht tun. Nun gehören also auch Hunde zum Klub der Arten, die eine solche Verbindung zwischen Gehörtem und Gesehenem herstellen können. Dabei achten die Vierbeiner offenbar nicht nur auf die Größe des Fotomotivs, es muss schon ein Hund abgebildet sein. Zu Vergleichszwecken präsentierten die Forscher Bilder von Dreiecken. Diese waren in den Augen der Tiere meist keine längere Betrachtung wert.

Katzenmotive dagegen weckten durchaus Interesse - und dies unabhängig von der Größe der abgebildeten Tiere. Hunde erkennen also nicht nur mühelos ihre Artgenossen, sie wissen offensichtlich auch, dass Katzen normalerweise nicht knurren.