UKE-Wissenschaftler finden Hinweise, wie optische Täuschungen entstehen
Hamburg. Mit dem menschlichen Gehirn verhält es sich so ähnlich wie mit einem Großunternehmen: Welche Funktionen seine Abteilungen erfüllen, ist halbwegs klar - wie sie zusammenarbeiten und warum das mal gut und mal schlecht funktioniert, ist hingegen oft genug ein Mysterium. Doch es gibt neue Erkenntnisse, die ein wenig Licht ins Dunkel bringen.
Wie mehrere Hirnareale zusammenarbeiten, wenn wir bestimmte Abläufe beobachten, haben die Wissenschaftler Dr. Jörg Hipp und Prof. Andreas K. Engel vom Institut für Neurophysiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf mit Dr. Markus Siegel von der Uni Tübingen herausgefunden. Ihre Erkenntnisse werden heute in der Zeitschrift "Neuron" veröffentlicht.
Im Mittelpunkt der Studie stand die Frage, was bei einer optischen Täuschung im Gehirn passiert. Dazu zeigten die Forscher 24 Probanden auf einem Monitor 500-mal den gleichen Ablauf: Zwei Balken bewegten sich aufeinander zu, trafen in der Mitte des Bildschirms aufeinander und bewegten sich dann wieder voneinander weg. Während des Versuchs zeichneten die Forscher mit der Elektroenzephalografie (EEG) die elektrischen Hirnsignale der Probanden auf. Nach jedem Ablauf mussten die Testpersonen angeben, was sie gesehen hatten.
Das Ergebnis: Obwohl sich der Ablauf nie änderte, nahmen die Probanden die Bewegung der Balken auf zweierlei Weise wahr. Mal sagten sie, dass die Balken sich in der Mitte begegneten und zur gegenüberliegenden Seite weiterbewegten, dann hatten sie den Eindruck, die Balken prallten voneinander ab und bewegten sich zu ihren Ausgangspunkten zurück. Das EEG zeigte, dass dabei sieben verschiedene Hirnareale Informationen austauschten, wobei sich die Wahrnehmung der Probanden änderte, je nachdem, welche Areale wie stark interagierten. "Es hat mich sehr überrascht, wie viele zum Teil weit voneinander entfernte Areale an der Verarbeitung der Reize beteiligt sind und wie sie ein Netzwerk bilden. Die Verbindungen erstreckten sich über das halbe Gehirn", sagt Erstautor Jörg Hipp. Dies sei bisher nur für wenige Prozesse nachgewiesen worden.
Doch warum unterscheidet sich die Wahrnehmung, obwohl der Reiz gleich bleibt? Hier können die Wissenschaftler nur spekulieren. "Was wir zu sehen glauben, hat womöglich mit dem Grad der Aufmerksamkeit zu tun", sagt Hipp. "Ist die Aufmerksamkeit höher, sehen Probanden die Balken voneinander abprallen, ist sie niedriger, produziert das Gehirn womöglich eine Wahrnehmung, die täuschen kann." Die Erkenntnisse könnten helfen, neurologische Krankheiten wie Multiple Sklerose oder Autismus zu verstehen, bei denen man davon ausgeht, dass die Interaktion zwischen Hirnarealen gestört ist.
(mha)