Die strengeren Winter der letzten Jahre fallen mit einer Phase schwacher solarer Aktivität zusammen. Forscher streiten, ob das Zufall ist.

Katlenburg-Lindau/Hamburg. Die Sonne schwächelt, und das seit Jahren. "Erst 2010 hat ihre Aktivität nach einem unerwartet langen und tiefen Minimum wieder zugenommen, wenn auch nur langsam", sagt Prof. Sami Solanki, Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau bei Göttingen. Ob die natürlichen solaren Schwankungen das Klima federführend beeinflussen, ist noch nicht endgültig erforscht. Bislang gilt dies aber als unwahrscheinlich.

Die Aktivität unseres Zentralgestirns lässt sich an den Sonnenflecken ablesen. Sie entstehen durch das innere Magnetfeld der Sonne, das durch ihre Rotation verstärkt wird. Etwa alle elf Jahre ist es so stark, dass die Magnetfelder sich ausstülpen und die 6000 Grad heiße Sonnenoberfläche durchstoßen. An diesen Stellen ist die Oberfläche rund 2000 Grad kühler und zeigt dunkle Flecken. Zum Teil entlädt sich die magnetische Energie explosionsartig an der Oberfläche in Form von Eruptionen (koronaler Massenauswurf oder Sonnenstürme).

Mit jedem solaren Zyklus polt sich das Magnetfeld der Sonne um. Erste Flecken sind Anzeichen für den Beginn eines neuen Sonnenzyklus. Sie gab es bereits 2008, doch war es nur ein zartes Aufflackern. Erst 2010 nahm die Sonne allmählich Fahrt auf, Ende 2012 werde die Aktivität voraussichtlich ihr Maximum erreichen, prognostiziert Solanki.

Die seit Jahren schwächelnde Sonne könnte hinter dem kalten europäischen Winter 2009/2010 stecken und womöglich auch noch den jetzigen Winter beeinflussen, vermuten manche Meteorologen und Astrophysiker wie etwa Mike Lockwood, Professor an der britischen Universität Reading. Solanki bleibt vorsichtig: "Es gibt den statistischen Zusammenhang, dass sehr kalte Winter in der Vergangenheit immer nur dann auftraten, wenn die Sonne inaktiv war. Das heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass bei einer inaktiven Sonne die Winter automatisch besonders kalt werden." Ob der Winter 2010/2011 überhaupt kälter als der Durchschnitt ausfällt, sei noch nicht abzuschätzen. Solanski: "Der Dezember war zu kalt, der Januar bislang eher zu warm. Abgerechnet wird Ende Februar."

Doch wie stark trägt der Sonnenzyklus zum Klimawandel bei? An dieser Frage entzünden sich seit Jahrzehnten heiße Diskussionen. Die wissenschaftliche Mehrheitsmeinung hält den solaren Einfluss eher für gering, allerdings herrscht Übereinstimmung, dass noch Forschungsbedarf besteht. "Satellitenmessungen zur Variation der Sonnenhelligkeit zeigen, dass diese innerhalb eines Zyklus nur um ein Promille variiert. Das ist ziemlich wenig, um Einfluss auf das Klima zu nehmen", sagt Solanki. "Zudem erklärt die Sonnenaktivität den deutlichen Temperaturanstieg der letzten 30 Jahre nicht. In dieser Zeit war die Sonnenaktivität eher schwächer."

Allerdings sei, wenn man Tausende Jahre zurückblickt, ein Zusammenhang von Eiszeiten und Sonnenaktivität erkennbar, betont der Astronom. Nach diesem Zusammenhang suchen weltweit verschiedene Klimamodelle. Doch sie liefern unterschiedliche Ergebnisse. "Unser Millenniums-Modell, mit dem wir die jüngsten zwölf Jahrhunderte gerechnet haben (siehe Gastbeitrag) erklärt die Kleine Eiszeit nicht allein durch Sonneneinflüsse", sagt Prof. Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI-M) in Hamburg und Vorstandsvorsitzender des Deutschen Klimakonsortiums, einem Verbund von deutschen Institutionen, die zum Klima forschen. "Über die gesamte Zeit gibt es zusätzlich ein Rauschen, das wir noch nicht erklären können."

Das 20. Jahrhundert sei die einzige Periode gewesen, für die alle Rechenläufe eine Erwärmung zeigten, die natürlichen Einflüsse eingerechnet. Dies zeige deutlich den Treibhausgaseffekt, so Marotzke. Kritiker wenden ein, dass die Klimamodelle womöglich noch nicht alle Prozesse erfasst haben - und den solaren Einfluss kleinrechneten.

In seinem Sachstandsbericht bezifferte der Weltklimarat IPCC im Jahr 2007 den Erwärmungseffekt (physikalischer Begriff: Strahlungsantrieb) des Kohlendioxids im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf knapp 1,7 Watt pro Quadratmeter Erdoberfläche (W/m²), den Einfluss der Sonne dagegen auf etwa 0,2 W/m². Diese Zahlen seien nach wie vor aktuell, bestätigen Solanki und Marotzke. Der Hamburger Klimaforscher ergänzt: "Durch Satelliten können wir die Sonneneinstrahlung in die Atmosphäre recht genau messen."

Dennoch gibt es in der Klimaforschung noch viele Unbekannte. Dazu gehört die Frage, weshalb die Erderwärmung seit 13 Jahren bei einem Plus von 0,8 Grad verharrt, bezogen auf den Beginn des 20. Jahrhunderts. Marotzke: "Wir kennen die Ursache nicht und wissen auch nicht, wie lange dieses konstante Niveau anhält. Wir arbeiten an Vorhersagen für einzelne Jahrzehnte. Dazu müssen wir natürliche Schwankungen und die menschengemachten Einflüsse zusammenfügen - dies ist noch nicht ausreichend erforscht."

Unabhängig von der Klimafrage sind die Vorgänge auf der Sonnenoberfläche alltagsrelevant: Heftige Eruptionen, wie sie für 2012/2013 erwartet werden, können die Elektronik von Satelliten und in der höheren Atmosphäre fliegende Flugzeuge stören, weil diese nicht durch das irdische Magnetfeld gegen die solare elektromagnetische Strahlung abgeschirmt sind.

Mit dem Satelliten-Pärchen STEREO kann die US-Raumfahrtagentur Nasa solche koronalen Massenauswürfe beobachten. Sami Solanki: "Die Satelliten sehen die Sonne von der Seite. Ein weiterer namens SDO schaut aus der Erdrichtung auf die Sonne, und das sehr detailreich mit schneller Bildfolge. Die Daten geben uns Auskunft darüber, wie Massenauswürfe starten. Wir hoffen, dass wir in Zukunft die Betreiber der gefährdeten elektronischen Systeme wenigstens ein paar Tage im Voraus warnen können."