Elektronikschrott enthält begehrte Hightech-Rohstoffe wie Neodym aus der Stoffgruppe der Seltenen Erden, doch das Recycling ist noch zu teuer.

Hamburg. Ein Gespenst geht um: der Mangel an seltenen Metallen, ohne die deutsche Hightech-Produkte vom Elektroauto über Mobiltelefone bis zur Dünnschichtsolarzelle nicht mehr auskommen. Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) fordert die Industrie auf, sich mehr um die Sicherung von Rohstoffquellen zu kümmern, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) denkt über eine "Deutsche Rohstoff AG" nach, die neue Rohstoffquellen erschließen soll. Neben dem Bergbau gerät allmählich die Gewinnung von Metallen aus Elektro- und Elektronikschrott ins Blickfeld. "Gerade in den Geräten der Informations- und Kommunikationstechnologie liegt ein erhebliches Potenzial", sagt Christiane Schnepel vom Umweltbundesamt. Allerdings herrsche beim Recycling noch großer Entwicklungsbedarf.

Je effektiver das Recycling werden soll, desto teurer wird das Verfahren

Gold, Silber und Kupfer würden routinemäßig aus dem Elektroschrott zurückgewonnen, sagt Andreas Habel, Referent im Bereich Elektroschrott im Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse). "Mit welchem Wirkungsgrad diese und andere Metalle gewonnen werden, ist weniger eine technische als vielmehr eine wirtschaftliche Frage. Beispiel Palladium: Heute werden 25 bis 30 Prozent des in Computern, Handys und anderen Elektronikgeräten enthaltenen Metalls herausgeholt. Quoten von 40 bis 50 Prozent erfordern einen erheblich aufwendigeren Recyclingprozess. Dem Metallaufkäufer interessiert dies nicht, er möchte Ware zu einem möglichst günstigen Preis." Das Niveau der in Deutschland eingesetzten Recyclingtechnologie sei zwar sehr hoch. Aber es reiche nicht aus, um jedes Milligramm Metall aus dem Elektroschrott herauszuholen.

Der weltweit größte Kupferrecycler, das Hamburger Unternehmen Aurubis, gehört zu den führenden Verwertern von Elektronikschrott. Aurubis gewinnt aus ihm neben Kupfer, Gold und Silber auch Selen, Nickel, Zink, Zinn und Blei. Dazu werden Leiterplatten und andere Bauteile auf Millimetergröße zerkleinert, vermahlen und eingeschmolzen. Nachdem die Metallgehalte ermittelt worden sind, folgen weitere Schmelzstufen. Schließlich werden die Metalle per Elektrolyse herausgelöst.

Die sogenannten Seltenen Erden, eine Gruppe von 17 Hightech-Metallen, zu denen auch das wegen seiner Magnetkräfte extrem begehrte Neodym zählt, können die Kupferhütte auf der Peute oder ihre spezialisierten Tochterunternehmen noch nicht aus dem E-Schrott herauslösen. "Festplatten, Lese- und Schreibköpfe von Computern enthalten größere Anteile von Metallen der Seltenen Erden", sagt Aurubis-Sprecherin Michaela Hessling. "Wir prüfen derzeit, wie man die Bauteile so auseinandernehmen kann, dass es sich lohnt, die im Promillebereich enthaltenen Metalle zu gewinnen."

Nicht einmal eine Handvoll Unternehmen in Europa betreibt bereits dieses Geschäft. Was es bedeutet, zeigt eine grobe Rechnung zu Neodym, das eine Schlüsselposition bei heutigen und zukünftigen Hochtechnologien hat. Hessling: "20 000 PCs enthalten ungefähr 40 Kilogramm Neodym. Bei einem angenommenen PC-Gewicht von fünf Kilo kommen wir auf einen Gewichtsanteil von 0,04 Prozent. Beim aufbereiteten Kupfererz, das wir von den Minen beziehen, sind es 32 Prozent."

Doch bevor die Recycler loslegen können, muss mehr Altmaterial bei ihnen ankommen. "Wir müssen für die Hütten die Rahmenbedingungen verbessern und dadurch mehr Recycling von seltenen Metallen ermöglichen, in dem wir den Elektroschrott besser erfassen und die Aufkonzentrierung der passenden Altmaterialien unterstützen", sagt Umweltexpertin Schnepel. Die Bürger würden insbesondere dann zu wenig Elektronikschrott abgeben, wenn die Annahmestellen nicht verbrauchernah erreichbar sind.

Nur etwa 700 000 Tonnen E-Schrott landeten 2008 im Recycling. Gemessen an den 1,8 Millionen Tonnen verkaufter Neuware, liege der Rücklauf nur bei 38 Prozent, klagt der bvse. Der große Rest steckt teils in den Schubladen der Verbraucher (der private "Lagerbestand" wird auf 350 000 Tonnen geschätzt). Entscheidender sei, dass etwa 140 000 Tonnen Kleingeräte alljährlich fälschlicherweise im Restmüll landeten, so Habel. Zudem gäbe es Graubereiche: Dubiose Händler kaufen nicht mehr funktionsfähige Computer auf, schlachten sie aus oder exportieren sie als Gebrauchtgeräte nach Afrika, wo Kinder und Jugendliche auf Deponien oder in Hinterhöfen Kabel verschwelen, um Kupfer zu gewinnen, oder Bauteile in Säure baden, um Gold auszubeuten. In Deutschland fehlten behördliche Kontrollen, um dieser umwelt- und gesundheitsschädlichen "Verwertung" einen Riegel vorzuschieben, klagt Habel.

Bislang führten drei Gründe dazu, dass Stoffkreisläufe entstehen, sagt Benjamin Achzet von der Forschungsgruppe Ressourcenstrategie der Universität Augsburg: "Potenzielle Schadstoffe werden recycelt, um die Umwelt zu schonen, etwa Blei und Cadmium. Auch massenhaft anfallendes Altmaterial wird meist verwertet. Und drittens gibt es den ökonomischen Treiber bei teuren Rohstoffen. So wird die weltweite Nachfrage nach Platin bereits zu gut 20 Prozent aus dem Recycling bedient."

Die Metallkonzentration in den Handys ist höher als beim Bergbau

Doch alle drei Auslöser versagten bei den seltenen Hightech-Metallen, so Achzet. "Zwar ist es technisch möglich, sie zu recyceln. Doch sind zum Beispiel Platinen so komplex aufgebaut, dass sich eine Trennung der Materialien wirtschaftlich nicht lohnt." Dabei sei es ökologisch eigentlich sinnvoller, die seltenen Metalle etwa aus den Handys als im Bergbau zu gewinnen, denn sie sind in den Geräten höher konzentriert als im Boden. Doch dafür bräuchte es einen vierten Treiber, Rohstoff-Engpässe.

Die Automobilindustrie versuche bereits, die eingesetzten Mengen der seltenen Metalle zu minimieren, so Achzet. Andere Branchen, etwa die Leuchtstoffindustrie, setzten mehr auf Recycling. Der dritte Weg wäre der Ersatz. Beispiel: Anstatt durch den Supermagneten Neodym, der etwa in Elektromotoren oder Windrotoren steckt, ließen sich die Magnetkräfte alternativ mit Strom erzeugen. Rohstoffstratege Achzet ist jedoch skeptisch: "Das würde zu noch komplexeren Techniken als die heutigen führen - und damit zu neuen potenziellen Zukunftsproblemen."