Forschungsprojekt will Spiritualität in Deutschland und den USA untersuchen. Bis 2012 sollen 1400 Menschen zu ihrem Glauben befragt werden

Bielefeld. In der Gesellschaft gibt es nach Meinung der Psychologin Barbara Keller einen Trend zu "individueller Patchwork-Religion". Immer mehr Menschen stellten sich ihren Glauben aus unterschiedlichen Quellen zusammen. Das Bedürfnis nach Religion nehme nicht ab, die Art des Glaubens verändere sich jedoch, sagte Keller, die an der Universität Bielefeld ein bundesweit einmaliges Projekt zur Erforschung von Spiritualität in Deutschland und in den USA koordiniert.

Religiosität wird heute sehr unterschiedlich verstanden und gelebt

Immer mehr Menschen bezeichneten sich statt als "religiös" als "spirituell". Dies spreche dafür, dass neue Formen von Religion und neue "Suchbewegungen" entstünden. Das Ziel der bis 2012 angelegten Untersuchung sei, herauszufinden, was genau Spiritualität für Menschen sowohl in Deutschland als auch in den USA bedeute. Religiosität lasse sich wissenschaftlich erfassen. "Wir gehen aber davon aus, dass es nicht die Religiosität gibt, sondern dass sie sehr unterschiedlich aufgefasst, gelebt und verstanden wird", sagte Keller. Zudem nähmen die Wissenschaftler des Projekts an, dass sich Religiosität im Laufe des Lebens ändern könne. Die Annahme, die Religion sei auf Rückzug, ist nach Kellers Auffassung widerlegt. "Wir können heute mit Sicherheit sagen, dass die These von einer zunehmenden Säkularisierung nicht stimmt", sagte die Wissenschaftlerin.

Stattdessen komme es verstärkt zu einem religiösen Austausch. So hätten hierzulande Kinder bereits im Kindergarten mit gleichaltrigen Muslimen zu tun. Auch gebe es Priester, die sich zugleich mit Zen-Buddhismus befassten. Im Gegensatz zu früheren Generationen seien heute auf einem "religiösen Markt" mehrere Angebote gleichzeitig verfügbar.

Häufiger als früher finde zudem eine Vermischung von religiösen Anschauungen statt. "Beispielsweise kombiniert jemand sein christliches Verständnis mit Ideen wie Karma und Wiedergeburt, die sich zum Beispiel im Buddhismus finden." Glaube bedeute auch nicht mehr zwangsläufig, nur der Lehre einer Kirche zu vertrauen, sagte Kellermann. "Es kann zum Beispiel vorkommen, dass jemand in die Kirche geht, aber auch an Horoskope glaubt."

Bis 2012 sollen 1400 Menschen zu ihrem Glauben befragt werden

In dem gemeinsamen Projekt der Universität Bielefeld mit mehreren Universitäten in den USA solle auch der Zusammenhang von erlebter Spiritualität und eigener Biografie beleuchtet werden. Befragt werden sollen in Deutschland und in den USA jeweils 700 Menschen. Dabei sollen sowohl kirchlich engagierte als auch der Kirche fern stehende Menschen erreicht werden. Zudem wollen die Forscher Anhänger anderer Religionen wie Muslime einbeziehen. In einem Vorgängerprojekt war erforscht worden, warum Menschen ihrer Religion den Rücken gekehrt hatten.

Für das Projekt zur Erforschung der Spiritualität werden deutschlandweit noch Teilnehmer gesucht. Der Fragebogen und weitere Informationen sind im Internet zu finden unter: www.uni-bielefeld.de/spiritualitaet