Das Hormon Epo wird bei Patienten mit Blutarmut eingesetzt, um bei Operationen auf Fremdblut verzichten zu können

Hamburg. Als Dopingmittel geriet es in Verruf, doch für viele Patienten ist es ein Segen: Erythropoetin, kurz Epo genannt, ist ein Hormon, das die Bildung von roten Blutkörperchen stimuliert und damit die Sauerstoffversorgung verbessert. Nachdem es bereits bei Patienten mit Nierenerkrankungen und Krebsleiden erfolgreich eingesetzt wird, haben jetzt auch Chirurgen die Möglichkeiten dieses Hormons entdeckt: Sie setzen es ein, um bei Operationen den Einsatz von Fremdblut durch Blutkonserven zu vermeiden.

"Wir nutzen schon jetzt die Eigenblutspende, um bei Wahleingriffen wie dem Einsatz von Hüft- und Kniegelenkendoprothesen auf Blutkonserven zu verzichten. Dafür spenden die Patienten vor dem Eingriff ihr eigenes Blut, das sie dann bei der Operation zurückerhalten. Aber bei Patienten, die unter einer Blutarmut leiden, ist das nicht möglich. Für sie kommt die Behandlung mit Erythropoetin infrage", sagt Daniel Kendoff, wissenschaftlicher Direktor der Hamburger Endoklinik. In anderen europäischen Staaten, vor allem in den Niederlanden, werde die Methode schon länger eingesetzt, um die knappen Vorräte an Blutkonserven für Notfälle zu reservieren.

Die Behandlung funktioniert folgendermaßen. Die Patienten erhalten in den Monaten vor dem Eingriff ein- bis dreimal im Abstand von einer Woche eine Spritze mit Erythropoetin unter die Haut in die Bauchfalte. Dadurch werden die Zahl der Blutkörperchen und der Wert des Sauerstoffträgers Hämoglobin im Blut langsam in die Höhe getrieben. "Als Nebenwirkung kann dabei allenfalls eine leichte Übelkeit auftreten. Menschen ohne Blutarmut können wir das Mittel nicht verabreichen, weil dann der obere Grenzwert für die roten Blutkörperchen überschritten werden und es zu einer Thrombose kommen kann", sagt Kendoff.

Der Blutverlust während der Operation wird zusätzlich, sowohl bei der Gabe von Erythropoetin als auch bei der Eigenblutspende, dadurch weiter abgemildert, dass das Blut, das während der Operation aus den Blutgefäßen austritt, aufgefangen und hinterher dem Patienten zurückgegeben wird.

In der Endoklinik wurden bereits mehr als 30 Patienten mit dem Hormon behandelt. "Wir hoffen, dass wir damit beim Einsatz von Endoprothesen in Zukunft ganz auf Fremdblut verzichten können", sagt Kendoff. Trotz des sorgfältigen operativen Vorgehens kann ein Blutverlust bei Hüft- und Knieoperationen nicht ausgeschlossen werden.

5800 solcher Eingriffe hat die Endoklinik 2010 durchgeführt, etwa 20 Prozent der Patienten hatten eine Blutarmut. Brauchte ein Patient aufgrund einer Blutarmut nach der OP eine Bluttransfusion, wurden bisher mindestens zwei Konserven benötigt.