Hamburger Forscher starten eine neue Initiative, um die wissenschaftlichen Museen und Sammlungen zu vereinen

Hamburg. Wenn Angelika Brandt über die naturkundliche Bildung in Hamburg spricht, schwankt sie zwischen Enttäuschung und Begeisterung: "Hamburg hat wahre Schätze zu bieten, Millionen sehenswerte Objekte. Aber sie sind verteilt über die ganze Stadt, und ein Großteil lagert in Kellern und Magazinen, weil es an Ausstellungsfläche mangelt." Das sei ein Jammer, sagt die stellvertretende Leiterin des Zoologischen Museums und Sprecherin des Verbunds der naturwissenschaftlichen Sammlungen der Universität Hamburg (VNSH). "Unsere Stadt braucht endlich ein großes Naturkundemuseum, das alle Objekte vereint."

In Hamburg gibt es sieben naturwissenschaftliche Museen und Sammlungen, dort sind die Objekte zu sehen, von denen Brandt spricht: so etwa präparierte Tiere wie Hagenbeck-Walross Antje oder ein Erdferkel im Zoologischen Museum, 1,8 Millionen Pflanzen aus aller Welt im Herbarium Hamburgense, eine 5000 Stück umfassende Sammlung fossiler Tintenfische und Dinosaurier-Skelette im Geologisch-Paläontologischen Museum sowie Edelsteine, Perlen und ein 424 Kilogramm schwerer Eisenmeteorit aus Namibia im Mineralogischen Museum.

Ein neuer Katalog zeigt Objekte und wirbt für eine Gesamtschau

"Leider wissen viele Hamburger nichts von diesen Exponaten", sagt Angelika Brandt. Um das zu ändern, hat der VNSH einen neuen, 65-seitigen Katalog erstellt, der die Besonderheiten der Ausstellungen beschreibt und Fotos von herausragenden Objekten zeigt. Er steht ab dem 29. November auf der neuen Internetseite www.museen.uni-hamburg.de zum Herunterladen bereit.

Dabei handelt es sich allerdings nicht nur um eine Broschüre für potenzielle Besucher, sondern vielmehr um einen Leistungskatalog, ein Plädoyer, dessen wichtigstes Ziel im letzten Kapitel mit dem Titel "Entwicklungspotenzial" beschrieben wird: Die "Fülle einmaliger Exponate", heißt es dort, könne in einer "naturhistorischen Gesamtschau" eine "Wirkung erreichen, wie sie von einzelnen, örtlich verstreuten kleinen Schausammlungen nicht erzielbar ist". Mehr noch: In einem großen Haus könnten Botaniker, Zoologen und Paläontologen enger zusammenarbeiten, was sich positiv auf die Forschung wie auch auf die Lehre auswirken werde. Alles in allem könne so das "für Deutschland vielleicht wichtigste Zentrum für Systematische Biologie und Biodiversitätsforschung entstehen".

Sie wünsche sich, dass die Naturkunde in Hamburg einen ähnlich hohen Stellenwert erhalte wie in anderen Metropolen, sagt Angelika Brandt. Berlin zum Beispiel feiert in diesem Jahr das 200. Jubiläum seines Museums für Naturkunde, das in den vergangenen zehn Jahren mehrfach erweitert wurde und international ein hohes Ansehen genießt. Auch das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt blickt auf eine fast 200-jährige Tradition zurück; bis 2017 soll ein Erweiterungsbau entstehen. Beide Häuser widmen sich nicht nur der Öffentlichkeit, sondern auch der Forschung - und führen dabei Zoologie, Botanik und Paläontologie unter einem Dach zusammen.

Für eine solche "große Lösung" in Hamburg hatte sich zuletzt Loki Schmidt starkgemacht. Die Ehrensenatorin der Universität Hamburg schlug zuerst einen Gebäudekomplex an der Marseiller Straße vor. Ohne Erfolg, eine Finanzierung schien aussichtslos. Heute residiert an der Adresse die Bucerius Law School. Auch den alten Wasserturm an der Sternschanze nahm Schmidt ins Visier - heute befindet sich dort ein Hotel. Und den Kaischuppen 50 A schlug sie als Standort vor - heute steht dort das Hafenmuseum.

"In einer Zeitspanne von sieben Jahren gab es viele Gespräche. Immer wieder wartete Loki Schmidt vergeblich auf Entscheidungen", schreiben die Autoren des Buches "Loki Schmidt - Forscherin und Botschafterin für die Natur". Als 2003 dann erstmals Ideen für eine "Galerie der Natur" in einem für die HafenCity vorgesehenen Science Center aufkamen, habe Schmidt den "Traum vom Naturkundemuseum für sich längst begraben".

Die Pläne für das Science Center liegen bis heute auf Eis, der Baubeginn sei noch offen, sagt die Sprecherin der HafenCity GmbH, Susanne Bühler. Es ist aber ohnehin fraglich, ob das Konzept trifft, was sich Loki Schmidt gewünscht hätte, denn das Science Center ist als Erlebnisausstellung mit Experimentierstationen gedacht.

Die Naturforscherin dachte vielmehr an ein Haus, das vor allem durch das breite Spektrum seiner Exponate beeindruckt. Dieses Anliegen greift der VNSH nun wieder auf, doch das Grundproblem bleibt: Wer soll die Kosten tragen? Für ein neues Naturkundemuseum sei zunächst kein zusätzliches Personal nötig, es müssten auch keine zusätzlichen Exponate angeschafft werden. Was ein neues Gebäude kosten würde, würde der VNSH gerne in einem Gutachten feststellen lassen, sagt Brandt, doch dazu fehle das Geld.

Die Wissenschaftsbehörde hat bei der Universität um ein Konzept angefragt

Wie stehen die Verantwortlichen zu einem neuen Naturkundemuseum? "Wir haben die Universität gebeten, ein Konzept für die zukünftige Nutzung und Präsentation der naturwissenschaftlichen Sammlungen zu erarbeiten", sagt Klaus von Lepel, Sprecher der Behörde für Wissenschaft und Forschung (BWF). Dieses Konzept schließe auch das Zoologische Museum mit ein, dessen zukünftiger Standort noch unklar ist (siehe unten). "Sobald das Konzept vorliegt, wird die BWF dieses prüfen. Dabei ist auch die angespannte Haushaltslage mit zu berücksichtigen", sagt von Lepel.

Man sei derzeit erst dabei, ein neues Konzept für die nicht öffentlichen, wissenschaftlichen Sammlungen zu erstellen; ein Konzept für die Schausammlungen könne dann folgen, sagt Uni-Präsident Dieter Lenzen. "Grundsätzlich ist es eine gute Idee, die naturwissenschaftlichen Sammlungen und Museen der Universität unter einem Dach zusammenzuführen. Die Universität Hamburg kann dafür allerdings keine Mittel bereitstellen." Es handele sich vielmehr um eine "staatliche Gesamtaufgabe". Darüber hinaus könne das Vorhaben interessant für Kultur- oder Wissenschaftsstiftungen sein, "zumal es sich um ein klar umrissenes Förderprojekt handelt, das eine hohe Publikumswirksamkeit hat", sagt Lenzen.

Im Klartext: Ob und bis wann die Universität ein Konzept für ein Naturkundemuseum vorlegen wird, das alle Sammlungen vereint, und ob die Stadt dieses Haus dann bezahlen will und kann, ist völlig offen.

"Ich hoffe, dass sich private Förderer ein Herz fassen und unser Anliegen unterstützten", sagt Angelika Brandt. Der VNSH wolle jetzt verstärkt auf Mäzene zugehen.