Eisschmelze hat regional unterschiedliche Folgen, zeigen Forscher

Innsbruck. Infolge der globalen Erwärmung schrumpfen weltweit die Gletscher. Aber geht deshalb bis zu zwei Milliarden Menschen bald das Wasser aus, wie es einige Klimaforscher prophezeit haben? "Das ist stark übertrieben", sagt Ben Marzeion von der Universität Innsbruck. "In einigen Regionen ist das Abschmelzen der Gletscher tatsächlich ein sehr ernstes Problem, in anderen Regionen spielen Gletscher allerdings nur eine untergeordnete Rolle für die Wasserversorgung." Der Gletscherforscher hat mit seinem Kollegen Georg Kaser in Nord- und Südamerika, in Asien und Neuseeland untersucht, wie viel Niederschlag auf einzelnen Gletschern niedergeht und zu welchem Zeitpunkt dieses Wasser wieder abgegeben wird. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler in der Zeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlicht.

"Es macht einen großen Unterschied, ob die Gletscher das Wasser in der Trockenzeit wieder abgeben oder - wie zum Beispiel in den MonsunGegenden Asiens - in einer Periode, in der ohnehin viel Niederschlag fällt", sagt Marzeion. "Es gibt aber auch Gebiete, in denen die Niederschläge im Winter in den Gebirgen fallen. Dort ist die sommerliche Gletscherschmelze lebenswichtig für die Bewohner der angrenzenden Regionen."

Die Innsbrucker Forscher haben einen Index berechnet, aus dem sie ablesen wollen, wie hoch die Abhängigkeit der Menschen einer bestimmten Region vom Gletscherwasser ist. Betroffen seien aber vor allem Regionen in mittleren Höhen von 500 bis 1000 Metern, in denen viele Menschen lebten wie etwa entlang von Italiens längstem Fluss, dem Po, oder am Aralsee in Mittelasien.

Insgesamt, so schätzen die Forscher, droht durch abschmelzende Gletscher 20 Millionen Menschen eine Wasserknappheit. "Das ist immer noch eine ungeheuer große Zahl", sagt Benz Marzeion. "Wir wollen das Problem deshalb auch nicht herunterspielen. Es wäre in Zukunft aber wichtig, genau hinzuschauen, in welchen Regionen dringend etwas geschehen muss. Außerdem müssen die Menschen vor Ort besser informiert werden. Denn viele wissen gar nicht, dass ihnen bald das Wasser ausgehen könnte."