Berlin. Soziale Eigenschaften des Menschen wie Monogamie und Rücksicht haben sich anscheinend erst im Lauf vieler Jahrtausende entwickelt. Wie britische Forscher in der Zeitschrift "Proceedings of the Royal Society B" berichten, waren Neandertaler und andere ausgestorbene Menschenähnliche im Vergleich zum heutigen Homo sapiens untereinander besonders aggressiv und auch sexuell ausschweifend.

Die Archäologen der Universität Liverpool bestimmten das Sozialverhalten dieser frühen Hominiden durch Analysen der Fingerlängen. Deren Verhältnis zueinander hängt maßgeblich von der Konzentration männlicher Sexualhormone ab, denen der Fötus im Mutterleib ausgesetzt war. Hohe Werte solcher Androgene, zu denen auch Testosteron zählt, sorgen dafür, dass der Zeigefinger im Verhältnis zum Ringfinger besonders kurz ist.

Studien zufolge haben Primaten mit relativ kurzem Zeigefinger ein ausgeprägt maskulines Sozialverhalten: Sie konkurrieren untereinander besonders stark und wechseln häufig ihre Sexualpartner. Bei fast allen untersuchten ausgestorbenen Hominiden fanden die Forscher recht kurze Zeigefinger, auch bei Neandertalern und vor allem beim Ardipithecus ramidus. Dieser Urahn der Menschenaffen lebte vor etwa fünf Millionen Jahren. "Zwar ist die Zahl der Fossilien aus dieser Zeit begrenzt und wir brauchen mehr Versteinerungen, um unsere Resultate zu bestätigen", räumte Erstautorin Emma Nelson ein. "Aber diese Methode könnte uns helfen zu verstehen, wie sich unser Sozialverhalten entwickelt hat."

Allerdings fanden die Forscher auch eine Ausnahme: Denn das Fingerverhältnis deutet darauf hin, dass der seit etwa drei Millionen Jahren ausgestorbene Australopithecus afarensis selbst im Vergleich zum Homo sapiens besonders monogam und umgänglich war.