Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz soll das Recycling von Altkunststoffen fördern, die gesammelt werden könnten.

Berlin. Plastikmüll treibt im Meer, verschmutzt Strände und Landschaften - das ist die schlechteste Lösung. Die zweitschlechteste ist es, Altkunststoffe einfach zu verbrennen, um deren Energiegehalt zu nutzen. Das einzig Wahre, argumentieren Umweltschützer seit Jahren, ist die stoffliche Verwertung, das Recycling. Denn sie nutzt nicht nur die Energie, die im Material steckt, sondern auch die Energie, die in den Produktionsprozess eingeflossen ist. Bislang werden nur 16 Kilogramm der 46 Kilo Plastikmüll, die jeder Bundesbürger im Jahr produziert, recycelt. Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz, das derzeit unter den Ministerien abgestimmt und nach EU-Vorgabe bis zum 12. Dezember beschlossen sein muss, stellt die Weichen, wie zukünftig mit Altkunststoffen verfahren wird.

"Umweltminister Röttgen bereitet das Ende von Abfallvermeidung und Ressourcenschonung vor", wetterte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) angesichts des Gesetzesentwurfs vom Bundesumweltministerium, der zurzeit unter den Ministerien abgestimmt wird. Es fehlten konkrete Ziele zur Abfallvermeidung, die vorgeschlagenen Recyclingquoten seien zu niedrig und vor allem: Die sogenannte energetische Verwertung von Abfällen wie Kunststoffen - also das Verbrennen zwecks Gewinnung von Strom und/oder Wärme - werde dem Recycling gleichgestellt, behaupten die Umweltschützer. Dies widerspreche den EU-Vorgaben, die der stofflichen Verwertung Vorrang gibt vor dem Einsatz als Brennstoff.

Derzeit werden 60 Prozent der Plaste-Abfälle verfeuert. Tatsächlich gibt es einen Passus im neuen Gesetz, nach dem das Verbrennen von Abfällen mit einem Energiegehalt größer 11 000 Kilojoule pro Kilogramm als energetische Verwertung anerkannt werden kann. "Das stand auch schon im alten Gesetz und führt dazu, dass die Verbrennung von Abfällen mit niedrigem Energiegehalt nicht den Status einer Verwertung erhält, sondern als Abfallbeseitigung gilt", sagt Regine Vogt, Abfallexpertin vom Institut für Energie und Umweltforschung (ifeu) in Heidelberg. Generell bleibe es aber bei der Regel: Was gut dazu geeignet ist, sollte recycelt werden, so Vogt. "Die stoffliche Verwertung von Altkunststoffen hat bereits heute Vorrang, soweit sie technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar ist." In den vergangenen Jahren habe sich beim Recycling viel getan. Die automatische Trenntechnik sei fortgeschritten, der Preisanstieg des Plastik-Ausgangsstoffs Öl habe dazu geführt, dass sortiertes und aufbereitetes Altmaterial konkurrenzfähig ist.

"Sortenrein und sauber" sei vor allem das PET aus dem Rücknahmesystem von Pfandflaschen, sagt Wolfgang Beier, beim Umweltbundesamt für Plastikabfälle (Uba) zuständig. Aber auch Hüllen aus Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polystyrol (PS) könnten bei "hochwertigen Anwendungen", etwa zur Folienproduktion, eingesetzt werden. Nur im Lebensmittelbereich müssen sie draußen bleiben.

80 Prozent der Altkunststoffe stammen aus dem gelben Sack oder der gelben Tonne, so Beier. Das Kunststoffgemisch wird zum Teil über die unterschiedliche Dichte der Kunststoffe in einem Wasserbad getrennt (einige versinken, andere schwimmen auf). Die modernste Technik ist jedoch das sogenannte Nah-Infrarot: Die kunterbunten Kunststoffschnipsel passieren auf einem Laufband eine Infrarotquelle. Aufgrund des zurückgestrahlten Lichts lassen sich die Plastik-Arten unterscheiden und von einem Luftstrom in den passenden Anfangbehälter pusten. "Die Technik liefert relativ sortenreines Material", sagt Beier, "allerdings kann sie keine schwarzen Kunststoffe identifizieren, die zum Beispiel im Elektronikschrott vorkommen."

Um das Kunststoff-Recycling weiter zu steigern, plädieren Umweltschützer und -experten für die Wertstofftonne: Die gelbe Tonne/der gelbe Sack sollte nicht nur Verpackungsabfälle fassen, sondern auch "stoffgleiche Nichtverpackungen", also zum Beispiel den löchrigen Plastikeimer oder die ausgediente Quietscheente aus der Badewanne. Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz will die rechtlichen Grundlagen für eine solch erweiterte Wertstoffsammlung legen, und schon streiten sich private Entsorger und Kommunen darum, wer diesen lukrativen Teil des Alltagsmülls einsammeln und verwerten darf.

Einzelne Städte, etwa Hamburg und Berlin, haben bereits gute Erfahrungen mit der Wertstofftonne gemacht. Sie könnte das Kunststoffaufkommen deutlich steigern, betont Beier. Der Uba-Experte rechnet mit einem Plus von etwa 20 Prozent. Mit der Tonne könnten auch andere Wertstoffe, wie Holz, Textilien und Metalle, systematisch vor der Haustür abgegriffen werden - Abfallexperten sehen die kommunalen Müllhaufen bereits als Rohstoffquelle der Zukunft und nennen dies im Fachjargon Urban Mining (städtischer Bergbau). Gerade Hamburg hat hier besonderen Nachholbedarf, liegt es doch im Vergleich des Pro-Kopf-Aufkommens aller bestehenden Wertstoffsammlungen am Schluss der bundesdeutschen Rangliste. 2008 separierte jeder Hamburger, jede Hamburgerin nur 96 Kilogramm Wertstoffe vom Hausmüll, das Bundesmittel lag bei 143 Kilo, Rheinland-Pfalz erreichte den Spitzenwert von 167 Kilo.

Ökologische Sorgenkinder bleiben nach wie vor zerhäckselte Altautos. Die sogenannte Shredderleichtfraktion enthält neben Altkunststoffen Metalle, Gummi, Glas, PU-Schäume, Faserverstärkte Kunststoffe. Hier bleibe fast nur der Einsatz in einem Verbrennungsofen - der Energiegehalt reiche zumindest aus, um als energetische Verwertung anerkannt zu werden, so Beier. "Die Autos werden heute wenig recyclinggerecht konstruiert", kritisiert der Uba-Experte, es wäre sehr sinnvoll, neben der Verwertung auch dort anzusetzen.

Der Naturschutzbund hat im Internet eine Kampagne für die Wertstofftonne gestartet: www.verwerten-statt-verbrennen.de