Nach den ersten Ansteckungen auf dem europäischen Kontinent steht die Tropenkrankheit auch bei uns vor der Tür

Hamburg. 14 Tage Kroatien, gemeinsam mit der ganzen Familie. Das klingt erst einmal gut. Ein 72-Jähriger aus Thüringen verbrachte sonnige Tage auf der Halbinsel Peljesac an der dalmatinischen Adriaküste, genoss den Ausflug nach Dubrovnik - und brachte sich von dort das Dengue-Fieber mit. Er ist damit der erste Deutsche, der sich auf dem europäischen Kontinent mit der Tropenkrankheit angesteckt hat. Sein unschönes Reiseandenken könnte jedoch auch schon bald in Deutschland zu bekommen sein, vermuten Forscher.

Einer von ihnen ist Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut (BNI) in Hamburg. Der Virologe diagnostizierte die Virus-Erkrankung in dem Blut des Rückkehrers aus Kroatien. "Der Fall ereignete sich im August, im September steckte sich ein Franzose mit Dengue-Fieber in Nizza an", sagt Schmidt-Chanasit. Wenn die Verbreitung so weiterginge, sei es nur eine Frage der Zeit, wann in Süddeutschland die ersten infizierten Mücken auftauchten.

Plötzliches hohes Fieber, Knochenschmerzen, Hautausschlag, Schüttelfrost und Übelkeit: Dengue-Fieber, bisher von Aedes-Mücken übertragen, läuft zwar bei einer ersten Infektion relativ glimpflich ab, zählt jedoch nach Einschätzungen der Weltgesundheitsorganisation zu den größten medizinischen Bedrohungen. Denn es gibt insgesamt vier verschiedene Serotypen, also verschiedene Unterarten des Virus, mit denen man sich nacheinander anstecken an. Und bereits eine Infektion mit einem zweiten Serotyp verläuft meist schwer, mit einem so genannten hämorrhagischen Fieber, bei dem es zu inneren Blutungen kommt und zu Schockzuständen. "Bei Kindern gibt es in Asien und Südamerika dadurch viele Todesfälle", so Schmidt-Chanasit.

In diesem Jahr steckten sich bereits 387 Deutsche im Ausland mit den Virus an

Waren es 2001 noch 60 Fälle von Dengue-Fieber, mit denen Deutsche aus dem Urlaub nach Hause kamen, meldete das Robert-Koch-Institut in Berlin für dieses Jahr bereits 387 Fälle bis Anfang Oktober. "Das sind so viele wie noch nie, und diese Entwicklung entspricht dem weltweiten Trend", so Schmidt-Chanasit. Woran das liegen könne, erklärt der Wissenschaftler mit der Ausbreitung von Vektoren, also den Überträgern der Krankheit: den Mücken. Schmidt-Chanasit: "Wenn sie sich verbreiten, zum Beispiel auch durch veränderte klimatische Bedingungen, verbreitet sich damit auch das Virus." Voraussetzung: Es muss durch den Kontakt einer Mücke zu einem erkrankten Menschen in die Mückenpopulation gekommen sein. Dann wird das Dengue-Virus jedoch über die Eier innerhalb der Population immer weitergegeben.

Mitarbeiter der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) aus Waldsee, südlich von Mannheim, fuhren gerade für Schmidt-Chanasit nach Kroatien und brachten von dort Mücken mit. Diese rund 100 Tiere werden jetzt im BNI auf eine Infizierung untersucht, denn es gilt auch zu prüfen, ob neben den bisher bekannten Hauptüberträgern wie der Asiatischen Tigermücke auch andere Mückenarten Träger des Dengue-Virus sein können.

Eier der Asiatischen Tigermücke waren erstmals im September 2007 in Deutschland gefunden worden - in Süddeutschland, an einer Autobahnraststätte an der A5. Doch eine ausgewachsene Mücke ging den Forschern bisher nicht ins Netz. Dabei war Dengue-Fieber sogar schon einmal auf unserem Kontinent heimisch, sagt Schmidt-Chansasit: "1927/28 gab es einen großen Ausbruch in Griechenland, höchst wahrscheinlich von Dengue-Fieber." Dann verschwand die Krankheit, die seit 2001 meldepflichtig ist, wieder aus unseren Breiten. Bis jetzt.

An einem Impfstoff wird schon lange gearbeitet

Erst vor wenigen Tagen hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine neue Fördermaßnahme für Impfstoffe und Medikamente gegen tropische Krankheiten vorgestellt. Danach unterstützt es erstmals Produktentwicklungspartnerschaften mit Non-Profit-Organisationen; 20 Millionen Euro stehen für die nächsten vier Jahre bereit.

An einem Impfstoff gegen Dengue-Fieber wird schon lange gearbeitet. "Derzeit läuft die Erprobung an Kindern in einer Region in Thailand, in der alle vier Serotypen vorkommen", sagt Schmidt-Chanasit. Auch wenn der Impfstoff ebenso stark herbeigesehnt wird, wie sich die Virus-Erkrankung gerade ausbreitet, rechnet er mit einer Zulassung nicht vor 2015.