Agrarwissenschaftler entwickeln Anbauformen für Energiepflanzen, die der Natur nicht schaden, sondern ihr sogar helfen.

Gülzow. Auf den Maisfeldern ist Erntezeit. Bis weit in den Oktober hinein ziehen riesige Hächsler ihre Bahnen, zerschreddern die Pflanzen zu Silage. Etwa ein Drittel der deutschen Silomaisernte landet inzwischen nicht mehr in Kuhmägen oder in den Futtertrögen anderer Nutztiere, sondern in den rund 5500 Biogasanlagen, die in Deutschland betrieben werden. Umweltschützer warnen vor Maismonokulturen; Agrarforscher suchen nach Wegen, den Anbau von Energiepflanzen naturfreundlicher zu gestalten.

"Mais ist bei Weitem nicht so schlecht, wie oft zu hören", sagt Henryk Stolte von der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe (FNR) in Gülzow. "Es gilt, Fruchtfolgen zu gestalten. Wenn Mais im Wechsel mit anderen Kulturpflanzen angebaut wird, bereichert er die Fruchtfolge. Wächst Mais dagegen Jahr für Jahr auf derselben Fläche, so ist er ökologisch negativ zu bewerten." Die häufig zu vernehmende Klage über Maismonokulturen relativiert der Energiepflanzen-Experte: Auf mehr als der Hälfte der deutschen Agrarfläche wachse Getreide, doch darüber klage kaum jemand.

Dagegen ist der Mais ins Gerede gekommen. Ein Beizmittel für Maissaat tötete im Jahr 2008 Zehntausende Bienenvölker. Zur Rohstoffgewinnung für Biogasanlagen pflügen Landwirte Wiesen um, kritisieren Naturschützer. Zudem habe der Mais einen hohen Wasserbedarf, und die relativ späte Aussaat verstärke Bodenerosion, so der Naturschutzbund (Nabu). Schweine- und Bullenmäster sowie Milchviehhalter beschweren sich über höhere Pachtpreise, die Biogasbauern leicht zahlen können, herkömmlichen Landwirten jedoch Entwicklungschancen nehmen. Aber die gelbe Körnerfrucht hat auch gute Seiten. So bleibt die Wertschöpfung aus dem aus Biogas erzeugten Strom im Dorf - und gibt ihm eine zusätzliche Zukunftsperspektive.

Deshalb gilt es, Energiepflanzen nicht zu verteufeln, sondern deren Anbau naturnäher zu gestalten. Wissenschaftler vom Institut für Landnutzungssysteme am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Müncheberg) untersuchten verschiedene Energieäcker zur Biogasgewinnung in Hinblick auf die Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten. "Der Anbau von Energiepflanzen konzentriert sich in räumlicher Nähe zur Biogasanlage. Es entstehen ,geklumpte' Landnutzungsmuster. Dies kann die Lebensraumnutzung wild lebender Organismen einschränken, wenn nur einzelne Fruchtarten, zum Beispiel Mais, in Monokultur angebaut werden", schreiben die Forscher in ihrem Bericht. Am Beispiel der Feldvogelarten schildern sie die unterschiedlichen Folgen von Maismonokulturen: Für die Feldlerchen verschlechtern sie das Nahrungsangebot, die Vögel können aber im Mais brüten. Dagegen finden Grauammern dort keine geeigneten Brutbedingungen, sie verlieren durch Maisäcker potenzielle Brutflächen. Besonders ungünstig sei der konzentrierte Maisanbau für Vögel, die "in den Strukturelementen, zum Beispiel Hecken, brüten und den Acker zur Futtersuche nutzen, wie das Braunkehlchen und der Neuntöter", so die Forscher.

Wenn jedoch die ganze Bandbreite an Energiepflanzen genutzt wird, sie nacheinander in Fruchtfolge oder aber sogar gleichzeitig als Mischkultur angebaut würden, dann könne dies im Vergleich zur Lebensmittelproduktion die Artenvielfalt sogar fördern, betonen die Agrarforscher. Dabei sollten traditionelle Arten wie Mais und Getreide durch neue Fruchtarten ergänzt werden. Auch mehrjährige Kulturen, etwa Kleegras oder die gelb blühende Durchwachsene Silphie, seien ökologisch interessant; beide Pflanzen sind ausgezeichnete Bienenweiden.

Mischkulturen eignen sich gut zur Energiegewinnung. Da bei der Ernte die gesamten Pflanzen zerhäckselt und anschließend vergoren werden, kann alles durcheinander wachsen - der Mix muss nur genug Masse und bei der Gärung möglichst viel Biogas (Methan) produzieren. Maissilage ist in Sachen Gasproduktion Spitze. Eine Tonne Festmasse erzeugt 202 Kubikmeter (m{+3}) Gas, Grassilage bringt es auf 172 m{+3}, Roggen auf 163 m{+3} - nicht umsonst dominiert Mais den Anbau von Biogaspflanzen; sein Anteil liegt bei 80 Prozent.

Einige neue Fruchtarten können da mithalten. Die Fachagentur nachwachsende Rohstoffe hält die Silphie für besonders vielversprechend. Die großblättrigen Pflanzen liefern pro Hektar mindestens so viel Biomasse wie Mais und einen vergleichbaren Gasertrag. Sie sind mehrjährig und schonen dadurch den Boden. Fachberater Stolte: "Das erste Jahr ist ein Verlustjahr, aber ab dem zweiten werden die Kulturen wirtschaftlich. Die Stauden können zehn, 20 Jahre alt werden und bieten eine gute Bodenbedeckung." Ein Problem sei allerdings, dass es noch kein Saatgut gebe. Die Pflanzen müssen als Stecklinge recht mühselig gesetzt werden.

Auch ertragreiche Wildblumenmischungen können massenmäßig mit dem Mais mithalten und stehen ihm beim Methanertrag nur geringfügig nach. Ihre Kultur ist eine echte Naturschutzmaßnahme und dazu noch eine Augenweide. Anbauversuche der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Gülzow haben auch beim Bokharaklee (Weißer Steinklee) ein hohes Ertragspotenzial ergeben. Weitere Biogaskandidaten sind Switchgras, Ungarisches Energiegras und die vermehrte Nutzung von Pflanzenabfällen aus der Landschaftspflege.

Die Novellen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) aus den Jahren 2004 und zuletzt 2009 haben die Pflanzenvergärung beflügelt und dazu geführt, dass nach Aussage des Fachverbandes Biogas mit den Energieträgern vom Acker bereits genug Strom produziert wird, um zehn Prozent der deutschen Haushalte zu versorgen. Aufgabe der Agrarforscher und Landwirte ist es nun, die Biomassezufuhr auf eine breitere Basis zu stellen. Denn eine Vielfalt von Energiepflanzen fördert automatisch den Artenreichtum an Wildtieren und -pflanzen. Im Zusammenspiel mit anderen Fruchtarten hat der Silomais seinen ökologischen Platz.

Biogas in der Landwirtschaft - so funktioniert es

Quelle: www.bio-energie.de