Exzellenzserie - Teil 10: Daniela Frahm erforscht poröse Feststoffe, die Methan und Wasserstoff speichern können

Hamburg. Es sind die inneren Werte, die zählen, das gilt zumindest für Daniela Frahms Forschung. Unscheinbar wirkt das dunkelblaue Pulver, das sie untersucht, doch jedes Körnchen enthält unzählige Hohlräume in der Größe von millionenstel Millimetern, die über eine erstaunliche Eigenschaft verfügen: Sie können Methan oder Wasserstoff speichern - Gase, die als Treibstoffe der Zukunft gelten.

Mit diesen porösen Feststoffen, den "metal-organic frameworks", metallorganischen Gerüsten, kurz MOFs, sind große Hoffnungen verbunden. Denn wie sich erneuerbare Energien effizient speichern lassen, ist eine der Schlüsselfragen auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Gesellschaft: Was nutzen zum Beispiel Brennstoffzellen, von Wasserstoff angetrieben, wenn die Lagerung des Treibstoffs so energieintensiv ist, dass der Einsatz nicht lohnt? Minus 252,8 Grad Celsius sind nötig, um Wasserstoff in flüssigem Zustand zu speichern. Alternativ hilft auch extrem hoher Druck: Bei 300 bar kann man Wasserstoff auch in aufwendig gedichteten Drucktanks lagern.

Es gibt die Leuchtturmprojekte, auch in Hamburg: Auf der Alster fuhr bis vor kurzem ein wasserstoffbetriebenes Ausflugsboot, gefördert durch ein EU-Projekt; im nächsten Jahr soll wieder ein Wasserstoffbus durch die Stadt rollen. Doch die mobile Masse fährt mit Benzin. Wasserstoff in großem Maßstab einzusetzen macht erst Sinn, wenn das Speicherproblem gelöst ist. Damit beschäftigt sich Daniela Frahm. Die 26-Jährige Chemikerin vom Institut für Anorganische und Angewandte Chemie der Universität Hamburg arbeitet als Doktorandin in der Graduiertenschule C1-Chemistry in Resource and Energy Management der Landesexzellenzinitiative. An den Untersuchungen sind auch die Technische Universität Harburg, die Hochschule für Angewandte Wissenschaften und das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut beteiligt.

Die C1-Chemie erforscht Moleküle, die nur ein Kohlenstoffatom besitzen, etwa Methan, Ameisensäure oder das Treibhausgas Kohlendioxid. "Die Stärke unserer Projekte ist, dass Chemiker, Biologen, Physiker und Betriebswirtschaftler fächerübergreifend an Lösungen arbeiten, wie sich C1-Verbindungen für eine umweltfreundliche Energieversorgung nutzen lassen", sagt der Sprecher der Graduiertenschule, Professor Gerrit Luinstra.

Neben Methan untersucht Daniela Frahm auch die Speicherung von Wasserstoff in MOFs. Wasserstoff gehört zwar nicht zu den C1-Molekülen, allerdings seien sich Wasserstoff- und C1-Kreisläufe sehr ähnlich, erklärt Luinstra. "Deshalb wollen wir die Eingrenzung nicht zu genau nehmen. Wir sehen die Graduiertenschule auch als Keimzelle für die Wasserstoffforschung in Hamburg."

Warum sich das lohnen könnte, erklärt Daniela Frahm in ihrem Labor. Sie legt ein Stück Zucker auf den Tisch, das 3,3 Gramm wiegt. Die Oberfläche der einzelnen Körner ergebe zusammen etwa 150 Quadratmeter. Das sei schon bemerkenswert, aber: "Weil MOFs Poren enthalten, haben sie bei einem Gewicht von 3,3 Gramm eine innere Oberfläche - bildlich gesprochen alle Böden, Wände und Decken ihrer Hohlräume zusammengenommen - von bis zu 15 000 Quadratmetern. Das entspricht etwa zwei Fußballfeldern."

Auf einem Bildschirm zeigt Frahm eine Darstellung des MOF-Innenlebens. Man sieht ein Gebilde, das einem Baugerüst ähnelt: Die horizontalen und vertikalen Streben bestehen aus organischen Stoffen, zum Beispiel Kohlenstoff- und Siliziumatomen, die zusammen einen "Linker" bilden, ein Verbindungsmolekül. Die Knotenpunkte, an denen die Streben zusammenlaufen, bestehen aus Metallen, zum Beispiel Kupfer- oder Zinkatomen. Beide Bestandteile liegen ursprünglich einzeln vor. Wenn sie jedoch mit einem Lösungsmittel bei einer bestimmten Temperatur erhitzt werden, verbinden sich die Stoffe zu einer porösen Masse. In den Poren können sich Gase wie Methan oder Wasserstoff anlagern, genauer: Sie werden dort von den Verbindungsmolekülen und metallischen Knotenpunkten durch elektrostatische Anziehungskräfte festgehalten.

Füllt man einen Tank vollständig mit einem MOF und presst dann etwa Wasserstoff hinein, fasst der Behälter mehr als die doppelte Menge Wasserstoff wie ohne den MOF. Durch den MOF werden die Gasmoleküle dichter zusammengeführt und fest gebunden, während sie sich sonst frei bewegen können und sich deshalb gewissermaßen breitmachen. "Für die anziehende Wirkung des MOF spielt allerdings die Größe und Form der Poren eine entscheidende Rolle", sagt Daniela Frahm. "Sind die Poren zu klein, passen die entsprechenden Gasmoleküle nicht mehr hinein; sind sie zu groß, kann sich das Gas leicht bewegen - und lässt sich schlechter verdichten." Und noch muss sie das Gas im MOF kaltstellen: Große Mengen Wasserstoff etwa kann das poröse Material nur bei mindestens minus 196 Grad festhalten. "Je wärmer es wird, desto mehr sträubt sich der Wasserstoff gegen die Speicherung", sagt Daniela Frahm.

Deshalb verändert sie ständig die Konstruktion der MOFs. Sie "baut" unterschiedliche Verbindungsmoleküle, das heißt, sie verändert die Form der Streben im Gerüst. Drei bis vier Schritte sind nötig, um einen neuen Linker durch Erhitzen und Abkühlen bestimmter Stoffmischungen herzustellen. Wenn sie anschließend Linker und Metallbestandteile vermischt, variiert sie die Menge des Lösungsmittels, oder sie variiert die Temperatur, wenn das Gemisch im Ofen ist. Immer mit dem Ziel, MOFs zu erzeugen, die pro Gramm mehr Wasserstoff speichern können und dafür weniger Kühlung benötigen. Bis zu vier Wochen dauert es, bis sie ein neues Pulver in den Händen hält.

Das größte Problem ist jedoch, dass sie Fortschritte bei der Speicherung nur dann zweifelsfrei erklären kann, wenn es ihr gelingt, die Architektur der Poren sichtbar zu machen. Dazu muss sie die MOFs in einer ganz bestimmten Größe als Kristalle herstellen, die so von Röntgenstrahlen durchleuchtet werden können, dass ein präzises Abbild des Bauplans entsteht. Anders gesagt: Frahm kann derzeit zwar genau messen, wie viel Wasserstoff in ihre MOF-Varianten hineinpasst, aber nicht genau erklären, warum. Sie baut ihr molekulares Haus mit verbundenen Augen. Weit mehr als 100 Versuche liegen hinter ihr, seit sie im November 2009 mit der Arbeit für die Promotion begonnen hat. "Und wenn ich noch weitere 100 Versuche brauche - ich gebe nicht auf", sagt Daniela Frahm und lacht.

Manchmal braucht es eben Zeit, die inneren Werte zu erkennen.