Die Metalllagerstätten der Meere werden derzeit erkundet. Auch Deutschland hat bereits Lizenzen erworben

Hamburg/Kingston. "Es ist wie die Entdeckung eines unbekannten Kontinents. Wir wissen wenig über das Leben in der Tiefsee, aber mein Eindruck ist, dass die Unternehmen Blut geleckt haben und an die Rohstoffe im Meeresboden heranwollen." Dies sagt die Journalistin Sarah Zierul. Die 32-Jährige hat gerade ihr Buch "Der Kampf um die Tiefsee" in Hamburg vorgestellt, für das sie Schauplätze besucht hat, an denen Bodenschätze bereits ausgebeutet werden (etwa die Ölfelder vor Angola) oder zukünftig gewonnen werden sollen.

Das Fördern von Öl in mehreren Tausend Metern Meerestiefe ist längst in großem Stil im Gange - mit hohen Umweltrisiken, wie gerade die Havarie im Golf von Mexiko gezeigt hat. "Zum Glück geschah dies vor der US-Küste, die zur Unfallbekämpfung technisch erheblich besser ausgestattet ist als etwa die westafrikanischen Länder", sagt Prof. Colin Devey, Stellvertretender Direktor des IFM-Geomar der Universität Kiel. Allerdings hatte die Ölpest im Golf ein Ausmaß, das selbst der hoch entwickelten Industrienation ihre technischen Grenzen zeigte.

Was passiert, wenn in den Ölfeldern vor Angola etwas schiefläuft, mögen sich Zierul und Devey nicht ausmalen. Dort hat der französische Ölkonzern Total zwei riesige Förderschiffe stationiert, die "Dalia" (Dahlie) und die "Girasol" (Sonnenblume). Zierul besuchte die "Dalia": eine schwimmende Ölfabrik, mit 140 Mitarbeitern, 37 Förderanschlüssen in 1200 bis 1500 Meerestiefe und Lagertanks von der Kapazität eines Supertankers. "Der Golf von Guinea wird in der Fachwelt bereits als neuer Persischer Golf gehandelt", fährt Zierul fort. Experten schätzen, dass im Meeresboden vor der Westküste Afrikas 100 bis 120 Milliarden Barrel Öl (ein Barrel sind 159 Liter) lagern - fast 17 Prozent der globalen Vorkommen.

Die Knollen am Grund enthalten neben Mangan Nickel, Eisen, Kupfer, Kobalt

Während das Öl aus der Tiefsee bereits fließt, ist die Metallgewinnung noch Zukunftsmusik. Der Meeresboden hält die wertvollen Ressourcen in zwei Varianten bereit, als Manganknollen und in Form von Massivsulfid. Die Knollen tragen ihren Namen, weil sie 26 Prozent Mangan enthalten. Wirtschaftlich interessanter ist das Nickel, das einen Anteil von 1,2 Prozent hat. Hinzu kommen sieben Prozent Eisen, ein Prozent Kupfer und 0,3 Prozent Kobalt.

Die Knollen wachsen rund um einen Ausgangskeim, etwa ein Schalenstück, einen Haizahn oder ein Bruchstück einer älteren Knolle. An ihm lagern sich in den Sedimentporen gelöste Metalle an. Größere Knollen haben Durchmesser von etwa zehn Zentimetern, kleinere etwa Kieselgröße. "Sie können mit einem Gerät geerntet werden, das wie ein Kartoffelroder arbeitet - allerdings bei zwei Grad Celsius, unter immens hohem Druck und mit sehr eingeschränkten Reparaturmöglichkeiten. Erste Firmen haben solche Geräte entwickelt, aber noch keines davon wurde bisher in der Tiefsee getestet", sagt Dr. Carsten Rühlemann, Meeresgeologe bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover.

Die BGR hat für Deutschland im Jahr 2006 im Manganknollengürtel zwischen Mexiko und den Hawaii-Inseln bereits zwei Claims abgesteckt - und gehört damit zu den ersten acht staatlichen Organisationen, die bei der Uno-Meeresbodenbehörde Isa (International Seabed Authority) in Kingston (Jamaika) eine Lizenz zur Exploration der Knollen erhalten haben.

"Manganknollen wachsen auf allen Meeresböden, auch in der Ostsee. Aber in dem Gürtel im Pazifik ist ihr Metallgehalt besonders hoch", sagt Rühlemann. 15 Jahre lang dürfen Experten der BGR nun die Rohstofflager der beiden Lizenzgebiete, die gemeinsam eine Größe von Schleswig-Holstein plus Niedersachsen haben, erkunden. Dafür haben sie bereits drei Forschungsfahrten unternommen. Die ersten beiden Erkundungen in den Jahren 2008 und 2009 waren reine Vermessungsfahrten, die die Topografie und die Beschaffenheit des Bodens flächendeckend erfassten. Dabei stellte sich heraus, dass auf den ebenen Gebieten in Meerestiefen von 4200 bis 4800 Metern auf jedem Quadratmeter zehn bis 20 Kilogramm Knollen lagern.

Bei der jüngsten Ausfahrt waren in diesem Jahr auch Biologen an Bord. Rühlemann: "Die Isa schreibt allen Lizenznehmern vor, dass sie bei ihren Erkundungen auch Grundlagenstudien zur Lebensgemeinschaft am Boden machen." Die Erfassung des Ausgangszustands bildet die Basis, um später die ökologischen Folgen des Tiefseebergbaus beurteilen zu können.

Beim Abbau werde das Bodenleben geschädigt, warnen Umweltverbände

Umweltverbände wie der Hamburger Verein Deepwave warnen vor "lokaler Zerstörung" des noch weitgehend unbekannten Bodenlebens, insbesondere durch die beim Einsammeln der Knollen aufgewirbelten Sedimente - die Metallklumpen stecken etwa zu zwei Dritteln im Meeresgrund. Das Sediment würde festsitzende Bodenbewohner, etwa Schwämme, zudecken, argumentiert Deepwave.

Rühlemann hält die Sedimentwolken für das kleinere Problem, die größten Schäden an der Natur entstünden direkt in der Fahrspur: "Dort zerquetschen die Geräte die Bodentiere, zum Beispiel Würmer oder Seegurken. Und selbst auf den Manganknollen siedeln Organismen. Sie verlieren ihren Lebensraum endgültig, während die meisten anderen ihn nach dem Eingriff zurückerobern. Untersuchungen von Probeflächen haben gezeigt, dass nach sieben bis acht Jahren etwa 80 Prozent der ursprünglichen Tierwelt wieder versammelt war."

Die BGR rechnet damit, dass frühestens zehn Jahre nach erfolgreich abgeschlossener Erkundung die ersten Knollen abgebaut werden. Dies hänge vor allem von der Entwicklung der Metallpreise ab.

Schwarze Raucher produzieren in geringeren Tiefen Metallsulfid

Die Gewinnung von Metallen aus Massivsulfidvorkommen könnte womöglich schneller beginnen. Sie entstehen in der Umgebung von sogenannten Schwarzen Rauchern - Quellen, aus denen 400 Grad heißes metallhaltiges Wasser aus großen Tiefen am Boden austritt. Dort wird es schockgekühlt, die Metalle werden mit dem Sulfid ausgefällt. Die Metallsulfide müssen bergbaulich gewonnen werden. Das erhöht zwar die technischen Anforderungen, aber dafür liegen die Vorkommen in geringeren Tiefen als die Manganknollen.

Metallsulfide enthalten Diamanten, Gold, Kobalt und Kupfer. "Derzeit gibt es intensive Erkundungen vor der Küste von Papua Neuguinea", sagt Sarah Zierul. Die Metalllagerstätten in der Tiefsee seien längst nicht so groß wie an Land und werden diese nicht ersetzen, betont Meeresforscher Devey. Dennoch argwöhnt er: "In den kommenden zehn, 20 Jahren wird noch sehr viel auf die Meere zukommen."

"Der Kampf um die Tiefsee", Sarah Zierul, Verlag Hoffmann und Campe, 352 Seiten, 22 Euro