Gastbeitrag Hamburger Juniorprofessor versucht Feuchtgebiete zu charakterisieren, um sie in neue Klimamodelle einzubringen

Hamburg. Wenn wir im Museum staunend vor einer Moorleiche stehen, dann liegt das daran, dass die sterblichen Überreste durch den Luftabschluss so lebensecht erhalten sind. Aus dem gleichen Grund spielen Moore eine wichtige Rolle im Klimasystem: Weil im Moorboden der Sauerstoff fehlt, können Mikroorganismen organische Verbindungen nur sehr langsam abbauen, sodass sich der enthaltene Kohlenstoff über Jahrhunderte anreichert - und nicht als schädliches Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) freiwird.

Tatsächlich wird immer deutlicher, wie wichtig Moore als dauerhafte Lagerstätten für Kohlenstoff sind. Doch wie stabil ist dieser Puffer? Trocknen die Flächen im Zuge der Erderwärmung aus, könnte organische Substanz verstärkt abgebaut werden. Dabei würden nicht nur große Mengen CO 2 frei, sondern auch verstärkt Methan. Dessen Treibhauswirkung ist auf 100 Jahre gerechnet um den Faktor 25 stärker als die von Kohlendioxid.

Inwieweit Moore künftig als Speicher oder als Quelle für Treibhausgase wirken, wird noch diskutiert. Meine Kollegen vom KlimaCampus und ich haben festgestellt, dass es dabei wesentlich auf den lokalen Wasserhaushalt ankommt. Denn Kohlenstoff wird nicht nur zwischen Boden und Atmosphäre ausgetauscht, sondern auch in Wasser gelöst transportiert. In der russischen Tundra unterscheiden wir zwischen "lowlands" und "uplands". Beide sind im Winter gefroren, doch während im Hochland im Sommer Kohlenstoffverbindungen teilweise seitlich abfließen, staut sich im Flachland das Wasser über dem verbleibenden Dauerfrost, und der Kohlenstoff wird gehalten.

Unser Ziel ist es, die Feuchtgebiete so weit zu charakterisieren, dass wir sie in neue Klimamodelle einbringen können. In herkömmlichen Modellen fehlt dieser Faktor bisher - und das, obwohl Moore weltweit etwa 550 Gigatonnen Kohlenstoff beherbergen und teilweise sehr viel länger halten als Wälder.

Im russischen Lenadelta untersuchen wir in diesem Jahr auch Schmelzwasserseen, die sich im Sommer über Permafrostböden bilden. Diese biologisch aktiven "Hotspots" setzen besonders viel Kohlenstoff um und entlassen ihn als Kohlendioxid oder Methan in die Luft. Gleichzeitig nagt dort die Erosion an der Landschaft, sodass Wärme und Wasser schneller eindringen können.

Verstärkt wird die Entwicklung, wenn sich mit dem Klimawandel die Vegetation ändert. So könnten mehr Büsche in der russischen Tundra dazu führen, dass sich Schneedecken anhäufen und die Böden im Winter weniger auskühlen. Durch solche Rückkopplungen gelangen wir womöglich an sogenannte tipping points, an denen sich allmähliche Veränderungen abrupt beschleunigen. In anderen Fällen entstehen gegenläufige Effekte, die den Prozess dämpfen. Die neuen Modelle sollen uns helfen, dies künftig besser abzuschätzen.