Neben Mais sollen alternative Pflanzen wie die Silphie Rohstoff für Biogasanlagen liefern

Hamburg. Riesige Maismonokulturen, die für viele Wildtiere (außer Wildschweinen) lebensfeindlich sind, haben die Biogasproduktion in Verruf gebracht. Dabei leistet die erneuerbare Energie einen wichtigen Beitrag, um Strom und Wärme ökologisch verträglich zu gewinnen. Agrarwissenschaftler und -berater entwickeln deshalb weitere Energiepflanzen, die ergänzend zum Mais kultiviert werden können und das Zeug haben, gleichzeitig den Naturschutz voranzubringen. Die Durchwachsene Silphie, ein nordamerikanischer Korbblütler, dessen Verwandtschaft schon im Römischen Reich als Heil-, Gewürz- und Gemüsepflanze geschätzt wurde, gilt als größter Hoffnungsträger.

Unter den alternativen Energiepflanzen stehe die Silphie in der vordersten Reihe, sagt Nuse Lack von der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR). Die Pflanzen mit den knallgelben Blüten sind mehrjährige Stauden - einmal auf den Acker gebracht, können sie bis zu 15 Jahre lang jedes Jahr neu austreiben. Im Herbst wird die bis zu drei Meter große Pflanze geerntet, zerhäckselt und in Biogasanlagen eingespeist.

Mit ihrem Wurzelwerk schützt sie den Boden ganzjährig vor Erosion durch Wind oder Regen. Zudem kann sie die Wurzeln bis zu zwei Meter tief in die Erde treiben - das macht sie, zusammen mit ihrem speziellen Blattwerk, relativ unempfindlich gegen Trockenheit. Ihre Blätter stehen paarförmig am Stängel, sie sind zu kleinen Bechern zusammengewachsen, in denen die Silphie Tauwasser auffangen kann. Daher auch der Zweitname Becherpflanze.

Zudem benötigt die Silphie keinen chemischen Pflanzenschutz. In jungen Kulturen muss lediglich zwischen den Pflanzreihen gehackt werden, damit sie nicht von Wildkräutern überwuchert wird. Doch nach ein, zwei Jahren ist die Staude so robust, dass sie praktisch ohne Pflege auskommt. Auch die Imker mögen sie. Die Becherpflanze blüht bis in den September hinein. Sie bietet den Bienen auch dann noch Nahrung, wenn andere Kulturen, etwa Raps und Obstplantagen, längst verblüht sind.

Ökologisch ist die Becherpflanze dem Mais deutlich überlegen. Große Maisschläge sind zwar für manche Feldvögel, etwa Lerchen und Kiebitze, zum Brüten attraktiv, doch finden sie dort kaum Insektennahrung. Denn die zur Familie der Süßgräser gehörende Pflanze produziert unattraktive Blüten mit minderwertigen Pollen. Der jährliche Umbruch der Äcker fördert zudem die Bodenerosion. Und der hohe Einsatz von Düngemitteln gefährdet Oberflächengewässer und Grundwasser.

Dennoch wird die Silphie kaum angebaut. Für Landwirte ist sie bislang unattraktiv. "Sie ist noch eine Wildpflanze und nicht auf höhere Erträge gezüchtet. Deshalb kann sie mit Mais, der seit den 1950er-Jahren in Deutschland kultiviert wird, vom Ertragspotenzial noch nicht ganz mithalten", sagt Frerich Wilken von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. An drei Versuchsstandorten ließ die Kammer die Durchwachsene Silphie anbauen. Dort lieferte sie zwei Jahre nach der Pflanzung Erträge von 13 bis 17 Tonnen Trockenmasse je Hektar - Mais bringt es auf guten Böden und mit ausreichend Wasser auf mehr als 20 Tonnen. Bei der Methangewinnung entsteht eine weitere leichte Einbuße; Nuse Lack schätzt sie auf fünf Prozent.

Das größte Hindernis: "Derzeit gibt es noch kein passendes Saatgut. Deshalb müssen aufwendig Stecklinge gepflanzt werden. Das ist sehr abschreckend", sagt die Sprecherin der Fachagentur. Die Landwirte müssen zum Beispiel mit einer Erdbeerpflanzmaschine pro Hektar 40 000 Pflänzchen in den Boden bringen - das kostet sie 5000 Euro. "Wir empfehlen, die Silphie zunächst versuchsweise auf einen halben oder einem Hektar anzubauen", sagt Frerich Wilken. In zwei bis drei Jahren, so hofft er, werde passendes Saatgut verfügbar sein, das mit gängigen Maschinen eingesät werden kann. Dies könne die Anfangsinvestitionen auf 1500 Euro je Hektar senken.

Derzeit wächst die Becherpflanze in Niedersachsen auf nur 100 Hektar (Mais: 205 000 ha). Dennoch sieht Wilken für die gelbe Schönheit ein großes Potenzial, gerade auf weniger ertragreichen Böden oder in Regionen, die häufiger mit Trockenheit zu kämpfen haben. "Sie liefert bei einem relativ geringen Einsatz einen recht guten Ertrag." Sehr gute Böden seien dagegen sehr teuer, dort werde möglichst intensiv angebaut. Eine eher extensive Kultur wie die Silphie sei dort weniger sinnvoll.

Auch andere Energiepflanzen könnten die Landschaft bereichern, etwa Sonnenblumen. Nuse Lack sieht sie bislang jedoch eher als Rohstofflieferantin etwa für die chemische Industrie. An speziellen Projekten zur "Energiesonnenblume" werde zurzeit gearbeitet, um generell die Ertragssicherheit von Sonnenblumen zu verbessern, sagt Lack. "Zudem sind ihre Samen bei Vögeln sehr begehrt."

Wildblumenmischungen bringen noch mehr Farbe auf die Äcker. Ihr Anbau schaffe wertvolle Lebensräume für Wildtiere, sagt Lack. Hier stehe der Naturschutz im Vordergrund, gekoppelt mit der Energieproduktion. Lack: "Die Saatmischungen lassen sich zudem sehr gut verwenden, um blühende Randstreifen zu schaffen, die Vielfalt in die Landschaft bringen und Insekten Nahrung bieten. Zusätzlich lässt sich das Erntematerial in Biogasanlagen energetisch verwerten."

Selbst die Silphie wird in naher Zukunft wohl vornehmlich in Form von Farbklecksen an Feldrändern, auf Ausgleichsflächen im Rahmen des Naturschutzes, auf minderwertigen Böden und zur Imagepflege der Biogasbranche erblühen. Monokulturen wie beim Mais will ohnehin niemand haben, auch nicht als gelbe Blütenmeere. Denn dann steigt das Risiko, dass Schädlinge und Krankheiten die bislang genügsame Pflanze pflegebedürftig machen. Und damit wären viele ökologische Vorteile dahin.